„Aufruf zum zivilen Ungehörsam! Alles richtig gemacht wurde, wenn allen zugehört wurde und werden kann.“
– Tiroler Krawallmusikverein
Sie sind entschlossen, allzeit einsatzbereit und nehmen, wenn es um die Verteidigung und Förderung der Tiroler Musikszene geht, kein Blatt vor dem Mund: Der TIROLER KRAWALLMUSIKVEREIN hat sich im schicksalhaften Jahr 2020 gegründet als eine Schnittstelle zwischen Musik und Politik. Sie möchten Musiker*innen aller Genres ins Scheinwerferlicht rücken, Existenzen sichern und langfristig wirksame politische Forderungen stellen.

Euch gibt’s ja noch gar nicht so lange, und doch haben in den letzten zwei Monaten bereits viele von euch gehört. Wer seid ihr und was ist eure Mission?
Der Tiroler Krawallmusikverein wurde am internationalen Tag der Musik, also am 1. Oktober 2020 mittels einer Pressekonferenz relativ spontan von Otto Horvath, Ennio Fabro und Marco Frei gegründet. Und zwar aus dem Grund: Drei bisher vom Förderwesen unbescholtene und unbefleckte Herren hatten irgendwann keine Lust mehr, tatenlos zuzusehen, wie durch sonderbar ignorantes politisches Gebaren die komplette Kulturszene an die Wand gefahren wurde. Und das unserer Meinung nach nicht zufällig, sondern aus einem menschenverachtenden Trip heraus.
Wie ist euer Projekt entstanden? Was hat das Coronavirus mit der Entstehungsgeschichte eures Vereins zu tun?
Das Virus sorgte erst für Prepper-Witze, dann langsam kam die Einsicht, dass das diesmal (noch) ernster werden könnte als die Vogel-, Schweine-, Whatevergrippen in den Jahren zuvor. Zumindest kam dieses Virus näher an uns heran, bis es plötzlich mitten unter uns war. Das erste „Koste es was es wolle“ vom Finanzminister wurde gesellschaftlich überrascht abgenickt. Den Laden AUSTRIA ein paar Monate runterfahren, Chillen und Selbstfindung für sämtliche Leute im Land, alle Menschen finanziell entschädigen bzw. auffangen und hoffen, dass die Pestwolke ohne noch gröbere Schäden irgendwann verschwindet, bevor die Weltgesellschaft in eine neue strahlende Zukunft aufbricht. Oder so. Doch die Bundesregierung löste ihr Versprechen nicht ein. Fluglinien wurden gerettet, die Kulturszene aber verdorrte erst unbeachtet, steht aber mittlerweile im Rampenlicht. Doch die herkömmlichen Methoden änderten nichts daran. Unsere Aufgabe sehen wir nun darin, den Menschen in der Kulturszene inklusive des ganzen Apparats davor, daneben und dahinter, Gesichter und Namen zu geben und ein Umdenken zwischen den Scheuklappen der Zuständigen zu bewirken. Und das mitunter auch, indem wir das komplette Förderwesen auf den Kopf stellen wollen.
Was unternehmt ihr, um die Leute an Musik und Kunst teilhaben zu lassen? Wie möchtet ihr die Gesamtsituation von Künstler*innen verbessern?
Erstens wollen wir momentan unsere privaten musikalischen Projekte gar nicht an das Publikum bringen. Im Gegenteil, wir rufen Künstler*innen dazu auf, NICHT dieselben Fehler zu machen wie im ersten Lockdown. Die Gesellschaft muss nicht erneut zusätzlich zu Netflix, FM4, Youtube usw. bespaßt werden. Die Gesellschaft soll die Tristesse und die Bedrohung fühlen. Dazu gehört, dass sich NIEMAND verbeugen darf, wenn die Leute vom Balkon klatschen. So läuft das nicht. Wir versuchen mit erzwungener Ernsthaftigkeit und konstruktivem Sarkasmus zugleich dem herrschenden System die neoliberale Sahnetorte mit Leichtigkeit ins Antlitz zu befördern, indem wir Slogans wie dieses unsägliche „Leistung muss sich lohnen“ beim Wort nehmen und genau das fordern.
Am meisten geholfen wäre uns (und uns allen) im Moment, wenn möglichst viele Menschen beim Land Tirol um ein Arbeitsstipendium ansuchen und das Zusatzformular von unser Homepage beilegen würden.
Die Politik kennt nur jene Künstler*innen, die Hallen ausverkaufen, die bei LICHT INS DUNKEL spielen oder eben um 100 Euro für eine CD-Produktion um Förderung ansuchen. Alle anderen, teils jahrzehntelang freischaffenden Menschen bleiben unter dem Radar. – Das müssen wir alle ändern!
Um die Verteidigungsministerin aus dem Gedächtnis und in völlig anderem Zusammenhang zu zitieren: „Die Kulturabteilungen im Bund, im Land und in der Stadt werden uns noch kennenlernen“.

Bild: Christian Niederwolfsgruber