Junges Filmschaffen: mit Cinema Next Regisseur MANUEL WETSCHER über „Magma“

Seit 2011 bietet die Initiative Cinema Next jungen Filmemacher:innen in Österreich eine Plattform, stellt Talente vor und bringt die Anliegen der nachrückenden Filmgeneration ins Gespräch. Einmal im Jahr tourt Cinema Next durch die österreichischen Kinos und präsentiert ein buntes Showcase des aktuellen Nachwuchsfilmschaffens. Am 18. Oktober fand die Innsbruck-Edition im Cinematograph statt. Ein Film der diesjährigen Auswahl hat uns ganz besonders in seinen Bann gezogen: „Magma“ von Manuel Wetscher. 

Filmstill „Magma“ | copyright: Manuel Wetscher

Magma“ – ein Kurzfilm von Manuel Wetscher

Inmitten einer ausgetrockneten Wüstenlandschaft sammelt ein Junge geduldig die letzten Tropfen Wasser ein, die ein alleinstehender, rostiger Wasserhahn hergibt. Seine Lippen sind vertrocknet, genauso wie die der anderen Kinder, die seine Wegbegleiter in dieser dystopischen Zukunftswelt sind. In ihrer dringlichen Suche nach Wasser nehmen sie Kontakt zu einem Seestern auf, der ihnen das flüssige Gold auf der anderen Seite eines Vulkans verspricht. 

In seinem Film Magma inszeniert der Regisseur Manuel Wetscher die beschwerliche Reise  dieser Kinder, die in einer zu heißen Welt ums Überleben ringen. Die Bewegungen und Interaktionen der Darsteller:innen scheinen echt, spontan und naturalistisch. Im Kontrast dazu steht die Soundkulisse, eine hyperbolische Klanglandschaft aus Naturgeräuschen, die fast orchestral wirkt. Eine Kombination, die es dem Zuschauer ermöglicht, sich sowohl mit den Protagonist:innen zu verbünden als auch in eine andere Welt bzw. düstere Zukunft einzutauchen.

Der Film entstand in Kooperation mit der freien-demokratischen Strandschule Playa Escuela auf Teneriffa. Ein pädagogisches Projekt, bei dem die Kinder nicht nur Einblicke in das Entstehen eines Films bekamen, sondern auch selbst aktiv am Entwicklungsprozess mitarbeiteten. Wir haben mit Manuel Wetscher über diese einzigartige Zusammenarbeit und seine ganz persönliche Herangehensweise ans Filmemachen gesprochen.

Filmstill „Magma“ | copyright: Manuel Wetscher

komplex: Wie bist du zum Filmemachen gekommen?

Manuel Wetscher: Ich habe mit Fotografie angefangen und habe bildende Kunst in Leipzig und Rom studiert. Im Studium habe ich meine ersten Kurzfilme gemacht, die anfangs eher konzeptuelle Installationen waren. Allerdings waren mir Literatur und Kino immer sehr nahe und so entstand mehr und mehr der Wunsch, eine Geschichte zu erzählen.
Ich begann mich auszuprobieren und ich glaube, dass meine Herangehensweise an das Filmemachen von Anfang an anders war, als zum Beispiel bei Filmstudent:innen. Anstatt vorher ein klares Drehbuch zu schreiben und alles genau zu planen, fuhr ich mit Freunden für ein, zwei Wochen irgendwo hin und fing an zu improvisieren. Ich versuchte, die Dinge geschehen zu lassen, sie zu beobachten und festzuhalten. Erst im Schnitt entwickelte ich dann die Narration.

War die Herangehensweise bei deinem neuen Film „Magma“ ähnlich?

Im Vergleich zu den Filmen, die ich bisher gemacht hatte, gab es bei Magma wesentlich mehr Vorplanung. Das war schon allein deshalb nötig, weil der Kurzfilm in Kooperation mit einer Schule entstand. 

Gleichzeitig forderte die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen natürlich eine gewisse Art von Flexibilität. Da kam mir die Art und Weise, wie ich grundsätzlich an einen Dreh herangehe, wiederum sehr entgegen. 

Es war mir und meinem Partner Bernhard Jarosch (Buch & Produktion) sehr wichtig, dass wir uns in der Entwicklung wirklich auf die Kinder einlassen können. Indem wir zu Beginn viel offen ließen, konnten wir die bestehenden Dynamiken in der Klasse beobachten und in den Film integrieren. Wir haben versucht, die Rollen im Film basierend auf den individuellen, realen Charakteren zuzuteilen und zu formen. 

Gleichzeitig sollte auch ein pädagogisches Konzept umgesetzt werden und da war es uns unter anderem wichtig, dass die ganze Klasse im Film mitspielen darf. Auch um das zu realisieren, war Flexibilität gefragt.

Wie entstand das erste Konzept zum Film?

​​Die Idee für den Film entstand während eines Besuchs der freien-demokratischen Strandschule Playa Escuela auf Teneriffa. Die Schule basiert auf einem naturpädagogischen Konzept – die Kinder verbringen den Unterricht in der Natur. Nach meiner Rückkehr entwickelten ich mit dem Schulleiter Gabriel Groiss und meinem Drehbuchpartner Bernhard Jarosch ein filmisches Konzept für eine Zusammenarbeit.

Wir wollten uns in dieser Kooperation Themen wie dem Klimawandel, Angst vor dem Mangel an Rohstoffen und Wasserknappheit filmisch annähern. Gleichzeitig wollten wir Möglichkeiten der Anpassung ausloten und die Frage stellen: Wie kann sich der Mensch auf Veränderungen einstellen? 

Auf der narrativen Ebene entwickelten wir die Geschichte einer Gruppe von Kindern, die sich in einer unbestimmten, dystopischen Zukunft auf die Suche nach Wasser begeben. Da die Wasserknappheit auf der trockenen Vulkaninsel Teneriffa schon jetzt allgegenwärtig ist, war es ein idealer Ort, diese Geschichte zu erzählen.

Wie formte die Zusammenarbeit mit den Kindern die Geschichte?

Wir haben die Kinder gefragt, was sie persönlich beschäftigt und wo sie glauben, dass die Geschichte hingehen soll. 

Im Film passen sich die Kinder an die widrigen Umweltbedingungen an, indem sie übernatürliche Kräfte entwickeln.  Bei der visuellen Darstellung dieser magischen Fähigkeiten haben wir uns am kindlichen Spiel orientiert – eine Taschenlampe und eine Murmel werden zum Kompass, zu Röhren geformte Hände zum Fernglas und ein Mädchen kann mit einem Seestern sprechen. 

Außerdem war das offene Ende ein Produkt der Zusammenarbeit mit den Kindern. Wir wussten lange nicht, wie der Film enden soll. Den Kindern war intuitiv klar, dass es kein Happy End geben muss und dass am Ende nicht unbedingt alles gut wird. Aber es sollte trotzdem das Gefühl vermittelt werden, dass eine Lösung des Problems möglich ist.

Filmstill „Magma“ | copyright: Manuel Wetscher

Wie verlief die Zusammenarbeit beim Dreh?

Wie schon in meinen Projekten zuvor, war es mir wichtig, allen Beteiligten, vor und hinter der Kamera, möglichst viel Spielraum einzuräumen. Der Zufall sollte Platz haben, Bilder und Momente zu kreieren. 

Die Regieanweisungen waren deshalb sehr lose. Wenn die Kinder über die Vulkansteine laufen sollten, haben wir nur den Raum abgesteckt, in dem sie sich bewegen sollten. Dann haben wir sie beobachtet und uns mit der Kamera mit ihnen mitbewegt.

Die Kinder waren meistens motiviert, nur für die vielen Wiederholungen, die beim Dreh manchmal nötig sind, hatten sie wenig Verständnis. „Aber wir sind doch schon durch den Wald gelaufen.“ 

Wie sah die Auseinandersetzung der Kinder mit den Themen des Films aus?

Die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel war im Kontext des Filmes sehr abstrakt. Allerdings hatten die Kinder sehr konkrete Vorstellungen und Ideen, wie man mit dem Wassermangel umgehen könnte. Weil sie auf dieser sehr trockenen Insel leben, sind sie dem Thema gegenüber sensibilisiert.  

Oft waren wir überrascht, wie viel die Kinder über die Natur wussten und wie bewusst sie die Umwelt wahrnehmen.  Zum Beispiel hatten sie ein sehr gutes Gespür für die Gezeiten und die damit einhergehenden Wellen. Wir waren da nicht so geschult und konnten so auch einiges von den Kindern lernen.  

Der Sound im Film war magisch – Geräusche der Umwelt wurden amplifiziert, die Geräuschkulisse, die entstand, klang fast orchestral. Wie entstand dieser besondere Sound des Films?

Wir wollten über den Ton diese Sensibilität der Natur gegenüber, die wir bei den Kindern beobachtet haben, wiedergeben. Außerdem haben wir versucht, die Umweltveränderung und die übernatürlichen Anpassungsmechanismen der Kinder auf der Tonebene zu erzählen. Wir haben viel Originalton gesammelt und außerdem mit den Klängen der Elemente gespielt. Es war mir auch wichtig, auf der Tonebene jegliche Zivilsationsgeräusche auszublenden, man hört  im Film keine Autos, Flugzeuge, etc. 

Ich arbeite schon länger mit Marko Schröder zusammen, der elektroakustische Kompositionen macht. Er nimmt oft einzelne Töne und Klänge und lässt daraus etwas Neues entstehen. In meiner Zusammenarbeit mit ihm erzähle ich ihm vom Projekt und den Themen, die wir berühren und er entwickelt relativ frei Soundscapes dazu. Diese werden dann im Sounddesign und der Mischung in den Film eingebaut.

Zwei Leseempfehlungen zum Thema von Manuel Wetscher:

  • Anthropocene Back Loop, Stephanie Wakefield
  • Unruhig bleiben: Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän, Donna Haraway

| Johanna Hinterholzer

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