Es ist doch nur Geld. Ein Interview mit SUSANNE SCHMELCHER zu ihrer Inszenierung „Jeeps“

 „Meine Eltern haben auch ihr ganzes Leben für ihr Geld gearbeitet. Die Verteilung von Eigentum ist offensichtlich nicht gerecht. Aber warum denke ich dann, wie alle, dass die Zivilisation selbst vom Schutz des Privateigentums abhängt?“

Österreich zählt zu den 15 reichsten Ländern der Welt. Umso erschreckender ist, dass dennoch 17,5% der Bevölkerung armutsgefährdet sind. Über 1,5 Millionen Menschen in Österreich können im Winter ihre Wohnung nicht heizen, haben am Ende des Monats nicht genug Essen im Kühlschrank oder können ihre Miete nicht bezahlen.

Kurz gesagt: Die Schere zwischen Arm und Reich in Österreich geht immer weiter auseinander. Dennoch gibt es hier im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern keine Erbschaftssteuer. Das stimmt nachdenklich.

So sieht das auch Susanne Schmelcher, die das Stück „Jeeps“ im BRUX – freies Theater in Innsbruck inszeniert hat (Ausstattung: Julia Neuhold). Ein Stück, das sich mit ebendieser Thematik befasst und dabei immer wieder die Frage nach Gerechtigkeit stellt. Wir haben mit der Regisseurin über ihre Inszenierung und dieses vielschichtige Thema gesprochen.

Marion Fuhs, Therese Hofmann, Volker Wahl und Florian Mania | Bild: Alena Klinger

„Jeeps“ beschäftigt sich mit dem Thema Erben. Was interessiert dich daran?

Das Thema Erben ist eines, das uns alle betrifft. Jede*r wird mal entweder etwas erben oder eben nichts. Manche Menschen erben auch Schulden und müssen dieses Erbe dann zurückweisen, was aber bedeutet, dass man noch nicht einmal das Fotoalbum seiner verstorbenen Oma behalten darf. Erben ist also nicht nur ein politisches Thema, sondern auch ein extrem emotionales.

Wie kam es zur Auswahl dieses Stücks?

Im Jahr 1759 war Österreich unter den ersten Ländern, die eine Erbschaftssteuer eingeführt haben. Im Jahr 2008 wurde diese von der Regierung wieder abgeschafft. In den meisten europäischen Ländern gibt es eine Erbschaftssteuer, in Österreich eben nicht. Das Team vom Theater praesent und ich fanden diesen Umstand extrem interessant und da das Stück „Jeeps“ (uraufgeführt 2021 an den Münchner Kammerspielen) gerade in Deutschland rauf und runter gespielt wird, dachten wir, dass es für Österreich eigentlich noch viel relevanter sei. Das schon nach wenigen Stunden ausverkaufte Nachgespräch mit Millionenerbin Marlene Engelhorn nach unserer zweiten Vorstellung zeigt, wie sehr das Thema gerade einen Nerv in der Gesellschaft trifft und wieviele Menschen ein Bedürfnis haben, darüber zu sprechen.

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, auch in Österreich. Dennoch gibt es hier keine Erbschaftssteuer. Warum ist das so?

Grund für die Abschaffung der Erbschaftssteuer im Jahr 2008 war die Ungleichbehandlung von Erbschaften gegenüber anderen Formen von Vermögen, im Konkreten von Immobilienvermögen. Die österreichische Regierung ließ die Frist zur Bearbeitung des Gesetzes damals verstreichen und das Gesetz damit auslaufen. Durch die Abschaffung der Erbschaftssteuer fehlen dem Staat jetzt aber Einnahmequellen. 15 Milliarden Euro werden laut Wirtschaftsuniversität Wien pro Jahr vererbt, mit einer Erbschaftssteuer ähnlich der in Deutschland, könnte der Staat etwa eine Milliarde Euro pro Jahr generieren, um weniger privilegierte Menschen zu unterstützen.

Worin liegt dabei das das größte Problem? Inwiefern sind arme Menschen die Leidtragenden dieses Systems?

Wenn das Erbe nicht versteuert wird, wird die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gehen. Die vermögenden Menschen haben immer mehr nicht konkret erarbeitetes Geld zur Verfügung und damit einhergehend natürlich auch gesellschaftliche Macht, während andere immer weiter abgehängt werden.

Ein Erbe verschafft den Erbenden einen fast uneinholbaren Vorsprung. Reiche Menschen und auch Menschen des sogenannten Mittelstandes haben den ärmeren Personen immer etwas voraus. Schon die, die wissen, dass ihre Eltern ihnen ein Haus vererben werden, können Entscheidungen über ihren Beruf oder die Familiensituation viel unbeschwerter treffen. Produktdesignerin werden, kein Problem, vier Kinder, ja geht schon – ich habe ja das Haus meiner Eltern. Und da reden wir noch nicht mal von den Multimillionär*innen, von denen es in Österreich ja auch einige gibt. Wer nichts oder Schulden erbt, kann von dem Luxus der Unbeschwertheit nur träumen. Da müssen eine Ausbildung und ein gut bezahlter Job her. Diese soziale Ungerechtigkeit gilt es meiner Auffassung nach anzupacken.

Silkes erster eigener Computer war ein Macbook Air für 1100 Euro, einfach weil sie von von dem Geschleppe sonst Rückenweh bekomme. Gabor entschied sich nach aufwendiger Recherche für ein Lenovo Think Pad für 240 Euro. Silke entschied sich für ein Produktdesignstudium, Gabor entschied sich für die Aussicht auf eine feste, lebenslängliche Anstellung. In all ihren Entscheidungen, den großen wie den kleinen, unterschieden sich Silke und Gabor immer und immer wieder im exakt selben Punkt: Der Leichtigkeit, mit der sie sie fällten.“

Therese Hofmann, Marion Fuhs, Volker Wahl und Florian Mania | Bild: Alena Klinger

Das Stück stellt die Frage nach einer möglichen Umverteilung. Wie könnte so eine Umverteilung aussehen?

In „Jeeps“ wählt die Autorin ein vollkommen absurdes Modell der Lotterie, um eine Umverteilung darzustellen. Alle Erbschaften, auch die Schulden, werden in einen Topf geworfen und jede*r kann ein Los erwerben. Damit überhöht sie die Ungerechtigkeit, die aus der „Eierstocklotterie“ entsteht, nämlich dem vollkommen willkürlichen Vor- oder Nachteil, der darin besteht, in welche Familie man geboren wird.

„Warum sie von Eigentum, für das sie nichts tun musste, nichts abgeben soll, will ich wissen. Warum Sie das für ein Naturgesetz halten, dass Ihre Freundin so viel mehr hat, als Sie. Nur weil sie in der Eierstocklotterie gewonnen hat.“

Auf der realpolitischen Ebene wird vom Österreichischen Momentum Institut, dem „ökosozialen Think Tank der Vielen“, ein Modell einer Erbschaftssteuer vorgeschlagen, das hohe Freibeträge und einen progressiven Steuersatz hat. Das bedeutet, Erbe wird beispielsweise erst ab 500.000 Euro versteuert und dann in langsam ansteigenden Schritten, sodass das berühmte Häuschen von Oma nicht in Gefahr ist, sondern eher das Millionenerbe.

„Man muss das System von innen sprengen. Oder wie meine englische Gastschwester Ada es auszudrücken pflegte: By Order, of the Peaky fuckin Blinders: This Place is under new Management.“

Es gibt Studien, die belegen, dass ab einer bestimmten Menge an Geld bzw. Einkommen das Glücksempfinden der Menschen nicht mehr ansteigt. Trotzdem häufen Reiche mehr und mehr an.

Das Thema individuelles Glück ist ja ein privates, wieviel Geld jemand braucht um glücklich zu sein, ist also schwierig zu definieren. Relevant ist für mich aber, was daraus entsteht, wenn einzelne Menschen mehr Geld haben, als sie brauchen. Das bedeutet nämlich, dass andere ziemlich sicher weniger haben werden, als sie brauchen. Und da greift für mich über kurz oder lang das Thema Umverteilung. Das müssen wir erst einmal in unserem Kosmos betrachten, aber dann auch irgendwann global.

Das Erb-Thema ist oftmals eng mit Neid verknüpft. Es gibt wenige Themen, die so häufig Familienstreitereien oder gar Zerwürfnisse zur Folge haben. Woran liegt das? Warum ist dieses Thema deiner Meinung nach so aufgeladen?

Wahrscheinlich liegt das an dem oben erwähnten Vorteil, der einem durch das Erbe gegeben wird. Mit Geld lässt es sich nun einmal leichter leben, sagt man. Alle wollen wohl am liebsten ein Stück vom Kuchen abhaben, der einem ein leichteres Leben ermöglicht. Und da geht Mensch fast schon über Leichen, manche Familie zerbricht an der Verteilung des Erbes. Im Stück „Jeeps“ stehen sich die Kontrahentinnen sogar mit erhobener Waffe und Fernzünder gegenüber, Erpressung und ein explodierendes Auto inklusive.

Welche Rolle spielt Komik in deiner Inszenierung?

Das Stück an sich ist schon sehr komisch in der Absurdität der Situationen. Alleine, dass man zum AMS gehen muss, um mit einem mehrseitigen Formular, das in keinem Falle einen Formfehler enthalten darf, ein Erbschaftslos zu beantragen. Diese absurde Komik haben wir natürlich herausgestellt. Außerdem gibt es Slapstick-Momente und sehr witzige Bilder. Komik ist mir hier sehr wichtig gewesen.

Warum?

Weil sie die Zuschauenden einlädt, dem Thema zu vertrauen, und sie dann mit dem sprichwörtlichen Lachen,-das-einem-im-Halse-stecken-bleibt wieder auf den harten Boden der Tatsachen –  der sozialen Ungerechtigkeit – fallen lässt. Denn auch wir Künstler*innen, die wir uns als harmloser Mittelstand begreifen, können uns zum großen Teil unsere prekären Jobs nur leisten, weil wir einmal erben werden oder Eltern haben, die uns ein soziales Netz spannen, in dem es sich unbeirrt künstlern lässt.

Nichtmal meine besten Freunde wissen, wie viel ich erben werde. Niemand den ich kenne, spricht darüber, wieviel genau er erben wird! Wir sind ja nicht reich! Wir haben nur Camping-Urlaube gemacht. Mein Papa hat immer nur Reste gegessen. Der hat den Schimmel von der Marmelade gekratzt und dann gegessen, damit nichts verkommt. Ich hab total viele Möbel bei E-Bay-Kleinanzeigen gekauft.“

| Sarah Caliciotti


TERMINE  FR 08. / SA 09. / MI 13. / DO 14. / FR 15. und SA 16. März 2024, jeweils 20 Uhr im BRUX

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