Warum am Ende vielleicht doch nicht alles gut wird (und wir trotzdem daran glauben müssen) – im Interview mit ELKE HARTMANN

Laura Naumann hat ein Stück geschrieben, das Textfläche und dennoch Geschichte ist, das vom Ende der Welt und von einem potenziellen Neubeginn handelt und das lustig und traurig, böse und zärtlich zugleich ist. „Das hässliche Universum“ bietet eine Auseinandersetzung mit dem, was ist – dem Kapitalismus – und mit dem, was vielleicht sein könnte – seinem Ende. Und Letzteres geht manchmal eben nicht ohne ein wenig Zerstörung. Elke Hartmann hat dafür die Welt zum Brennen gebracht. Oder zumindest die kleine Bühne des Theater praesents.

Sarah Caliciotti hat mit ihr über ihre Inszenierung des Stücks im Theater praesent gesprochen und über die Frage, was es abseits von dem, was wir kennen, geben kann.

„Am Ende wird alles gut.
Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“

– Oscar Wilde

René Dalla Costa und Marion Fuhs

Sarah Caliciotti: Wie kam es zur Auswahl des Stücks und was magst du daran?

Elke Hartmann: Was ich sofort geliebt habe, ist, dass alle, also die gesamte Menschheit, irgendwann die ganze Welt anzünden und das auf eine so friedliche Weise, dass man gar nicht weiß – ist das eine Dystopie oder eine Utopie? Die grundsätzliche Frage, die das Stück an uns stellt, ist: Kann man dieses System noch retten oder ist es das Beste, Tabula rasa zu machen und von vorne zu beginnen? Es hat was unglaublich Befreiendes und gar nicht Aggressives, wie die Welt da angezündet wird, auch deshalb, weil es alle zusammen tun. Es findet keine Revolte GEGEN jemanden statt.

Vorangestellt ist eine Beerdigungsszene, in der die alte Welt zu Grabe getragen wird, auch all das Schöne, das dazu gehört hat, wie „sich ein Baby über die Schulter legen“ oder „jemandem zulächeln“ – also es gibt auch Verlust bei einem derart radikalen Schritt. Ein sentimentaler Abschied mit einer Band und den größten Hits der Menschheitsgeschichte.

Es gibt mehrere Sachen an dem Stück, die ich sehr mag. Zum einen spiegelt es eine große, allgemeine Unzufriedenheit, die sich durch alle Menschen zieht, wider. Aus dieser Unzufriedenheit heraus entsteht eine Figur, „Rosa“, die eine Heilsbringerfigur ist, und eben doch nicht. Zum anderen ist ein zentrales Thema, ob wir ein Ergebnis unserer Zeit sind, oder ob die Zeit, in der wir leben, unser Ergebnis, von uns gemacht, ist. Gestalte ich, oder werde ich gestaltet? Das heißt, dass diese (Un)Heilsbringerfigur etwas ist, das vielleicht aus uns entsteht. So, wie Trump, Kickl, Jesus oder Robespierre eine Notwendigkeit ihrer Zeit waren oder sind. Wir sehen, wie Rosa im Laufe des Stücks immer größer und mächtiger wird.

Außerdem ist es unklar, was wirklich stattfindet und was sich die Figuren nur vorstellen. Also, was bedeutet Wirklichkeit, oder wird etwas wirklich, wenn ich es manifestiere?  

Ganz klar stellt sich der Text da gegen den Kapitalismus und gegen soziale Ungerechtigkeit.

Wichtig ist noch, dass dieser Weltuntergang nicht ohne Humor erzählt wird. Wir lernen Menschen kennen, die im Versuch zu verstehen, was eigentlich schiefgelaufen ist, durchaus witzig und berührend scheitern.

Sarah: Für wen oder was steht die Figur „Rosa“? Sie ist etwas, das in uns selbst stattfindet – aber ist sie dennoch vergleichbar mit jemand Realem? Und was macht sie so mächtig?

Elke: Rosa setzt sich aus den Figuren zusammen. Was sie alle grundsätzlich ausmacht, ist ein Bedürfnis nach Zusammenhalt – das sind alles einsame Menschen, die ein Bedürfnis nach Zusammenschluss und Nähe haben. Rosa wird immer stärker, weil die Figuren merken, dass dieser Zusammenhalt ihnen Kraft gibt. Das kann einerseits vergleichbar sein mit etwas, dass uns zupasskommt, wie eine Greta Thunberg, es kann aber auch ein Kickl sein.

Es gibt dann eben ein Attentat im Stück und da fängt es an zu kippen. Da hält Rosa eine Rede und man sieht auch deutlich, was sie so groß macht: Sie bietet eine Antwort auf die Unzufriedenheit der Menschen und sie ist liebevoll in dem. Deswegen gibt es eigentlich keine Gegner*innen, alle zünden gemeinsam diese Welt an. Es kommt nicht zu einem Krieg, sondern alle gemeinsam entscheiden sich dafür, etwas Neues zu beginnen, was nicht der Kapitalismus ist. Das Stück bietet aber auch kein Gegenmodell. Es hört da auf, wo etwas Neues beginnen kann. Es endet jungfräulich.

Hans Danner, René Dalla Costa und Marion Fuhs

Sarah: Gibt es denn deiner Meinung nach ein Entkommen aus dem Kapitalismus und wenn ja, was bräuchte es dafür?

Elke: Bei mir im Stück gibt es eins! (lacht) Wir haben viele Bildschirme auf der Bühne, darin sieht man alle inmitten von Flammen stehen und sie singen das Lied vom Ende des Kapitalismus. Im Stück freut man sich sehr mit ihnen – in Wirklichkeit sieht es leider gar nicht danach aus, als gäbe es ein Entkommen. Das Einzige, das vielleicht heraushelfen könnte, wäre ein Krieg und den wünsche ich mir natürlich nicht. Aber im Moment scheint mir der Kapitalismus so stark, wie er noch nie war.

„Der Kapitalismus ist der wahre und größte Feind, den wir bekämpfen sollten.“
– Elke Hartmann

Sarah: Warum denkst du ist das so?

Elke: Ich denke, zum einen liegt das daran, dass mit 1989 beginnend der Sozialismus nicht mehr existiert hat und es bis heute keine Alternative dazu gibt. Das andere Problem ist, dass der Kapitalismus global organisiert ist und nicht staatlich, also ist er durch die Globalisierung unglaublich erstarkt und hat natürlich eine wahnsinnige Widerstandsfähigkeit. Als Staat kommt man gegen den Kapitalismus schlecht an. Die technischen Neuerungen, die Digitalisierung usw. spielen sicher auch eine große Rolle. Und viele Regierungen setzen durch den Rechtsruck, der gerade herrscht, auf Marktwirtschaft. Und wenn mal viel Kapital da ist, vermehrt sich das ja bekanntermaßen extrem aus sich selbst heraus – die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Meiner Meinung nach bräuchte es eigentlich mehr Staat in der Wirtschaft, nicht weniger.

Was mich auch beschäftigt ist, dass es uns Feminist*innen immer so sehr um das Patriarchat geht. Ich glaube aber, dass das Grundproblem der Kapitalismus ist, der das Patriarchat natürlich stützt. Weil der Kapitalismus immer auf der Seite der Starken und Mächtigen ist. Der Kapitalismus ist der wahre und größte Feind, den wir bekämpfen sollten.

Hans Danner

Sarah: Glaubst du an ein friedliches Zerstören? Wenn wir so weitermachen – und danach sieht’s leider aus – wird ja ohnehin alles zugrunde gehen, allein schon den Klimawandel betrachtend. Kann daraus deiner Meinung nach dann etwas Neues entstehen? Oder beginnt alles vielmehr von vorne, weil der Mensch nichts daraus gelernt hat?

Elke: Das hast du recht. Ich denk auch, wir sind halt totale Arschlöcher, also wahrscheinlich würde alles wieder von vorne losgehen, wie du sagst. Manchmal hoffe ich aber doch, dass es noch einmal eine Chance wäre, neu anzufangen.

Das Stück ist natürlich ein Märchen. Dass alle gemeinsam beschließen, dass sie jetzt etwas Neues machen, wird es ja nicht geben. Aber in diesem Stück gibt es das und ich will auch glauben, dass die Menschen lernfähig sind. Dass die Linken nicht immer rechter werden. Weil, dass die Welt den Bach runter geht, hat ja letztlich genau damit begonnen, dass die Linken im Laufe der 80er plötzlich nicht mehr von den Mitte-Rechten zu unterscheiden waren. Und die ganz Rechten waren plötzlich die Einzigen, die die Übriggebliebenen einsammeln konnten, indem sie auch soziale Themen ansprachen. Wenn auch teils oder oft gelogen und verzerrt. Aber die Sozialdemokraten wurden da, ab den 80er, 90er Jahren, zu einer weiteren Wirtschaftspartei. Jetzt suchen sie wieder nach Identität, und ich hoffe, wünsche mir sehr, dass sie die wieder finden, oder besser neu erfinden.

Sarah: Können wir uns etwas vorstellen, das nicht existiert? Was könnte denn nach dem Kapitalismus sein?

Elke: „Warum können wir uns das Ende der Welt, aber nicht das Ende des Kapitalismus vorstellen?“ Das Zitat von Fredric Jameson kommt mehrfach im Text vor. Also, es ist schwer, und ich werde da naiv. Aber ich glaube an das Kollektiv, obwohl es nicht einfach ist. Ich glaube an Schwarmintelligenzen. Dann muss man aber auch aufhören, immer der*die Beste sein zu wollen. Man muss aufhören, außergewöhnlich und besonders sein zu wollen. Man muss auch aufhören, Preise zu verteilen für irgendwelche angeblichen Gewinner*innen.

Sarah: Gibt es gegenwärtig etwas, das helfen könnte?

Elke: Entspannung, Gelassenheit und vor allem Empathie.

Sarah: Und ist das Universum nun hässlich?

Elke: Nein. Vielleicht abgesehen von dem Müll in der Erdumlaufbahn. Den Stücktitel versteh ich nicht so ganz. Zum Schluss gibt es einen Blick aus dem Universum auf die brennende Erde, die schön aussieht.

#humans made the earth glow.

Sarah: Gab es eine besondere Herausforderung in dieser Produktion für dich?

Elke: Tatsächlich die Frage, wie man alles zum Brennen bringen kann. Die Idee mit den Bildschirmen – auch weil es viel um soziale Medien im Stück geht, ist das sehr passend – habe ich zunächst so leicht dahingesagt, aber was das für einen Rattenschwanz nach sich zog in einem winzigen Theater mit so wenig Budget und, dass unsere Ausstatterin Sarah Burchia Busse voller uralter Elektroschrott-Bildschirme herangekarrt hat und nächtelang mit dem Techniker zusammengesessen ist, um das alles zu verkabeln, daran habe ich nicht gedacht. Das passiert nämlich alles live auf der Bühne. Die Schauspieler*innen bauen die Bildschirme auf und verkabeln sie. Das war, und ist jedes Mal, alles sehr aufregend und ist richtig toll geworden.

| Sarah Caliciotti


Schauspieler*innen: René Dalla Costa, Hans Danner und Marion Fuhs

Ausstattung: Sarah Burchia

Videos: Jeremias Plangger

Vorstellungen:

22.04., 20:00 Uhr
26.04., 19:00 Uhr
30.04., 06.05., 08.05., 13.05., 20:00 Uhr

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