Slam-Poetry Tirol: die Menschen auf und hinter der Bühne des Ö-SLAM 2025

Wenn sich im Tiroler Landestheater heute Abend die Türen zum großen Finale des Ö-Slam 2025 öffnen, schließt sich ein Kreis: Der Ö-Slam kehrt nach zehn Jahren wieder nach Innsbruck zurück und damit an den Ort, an dem alles begann. Dass die Tiroler Poetry-Slam-Szene zu den lebendigsten des Landes gehört, ist nicht zuletzt dem Verein Slam Poetry Tirol (SPoT) zu verdanken, der hinter der diesjährigen Austragung steckt. Wir haben mit den Organisator:innen gesprochen: über Gemeinschaft, Engagement, die Begeisterung für Sprache und eine besondere Kunstform, die für alle da ist und zeigt, dass jede:r mitmachen und kreativ sein kann.

Tiroler Slam-Poet:innen, darunter die Vereinsmitglieder von SPoT, beim Tirol-Slam 2023. | Photo: Alena Klingler

Im Gespräch mit Anna Schober, Anna Maria Mühlbacher („Die Bacher“), Katrin Rauch („Katrin ohne h“) und Martin Fritz von Slam Poetry Tirol

Der Ö-Slam kommt nach 10 Jahren wieder nach Innsbruck. Warum eignet sich Innsbruck als Austragungsort für den Ö-Slam und wie würdet ihr die Slam-Szene in Innsbruck/Tirol beschreiben?

Anna: Zunächst liegt natürlich auf der Hand, dass es hier einfach wunderschön ist und die Stadt so viele nette Leute bietet, die im Publikum sitzen. Außerdem ist Innsbruck die Geburtsstätte des Poetry Slam in Österreich. So hat Markus Köhle vor mehr als 20 Jahren hier in Innsbruck mit dem Bühnenformat begonnen. Seither war das Format schon fast in jeder Location der Stadt und auch im Rest von Tirol zu Gast.

Katrin: Was die Tiroler Slam-Szene meinem Eindruck nach auch auszeichnet, ist die Gemeinschaft und das Drumherum, das nette Zusammensitzen nach den Veranstaltungen, dass wir alle an einem Strang ziehen – so cheesy das jetzt klingt. Das trägt auf jeden Fall dazu bei, das ich mich hier sehr wohl fühle und das ist auch etwas, das wir von Gastslammenden immer wieder hören, wenn sie zu uns auf Besuch sind.

Martin: Und in aller Bescheidenheit lässt sich schon sagen, dass die Slamszene in Tirol gerade im Verhältnis zur Einwohner:innenzahl im Vergleich zu den anderen Bundesländern sich nicht verstecken muss. So viele so unterschiedliche tolle Slammer:innen und Slams gibt es in Österreich nicht überall! Auch und gerade so außergewöhnliche Formate wie die inzwischen bereits traditionellen Glam-Slams oder Sauna-Slams gibt es anderswo nicht. Und wer durch die Liste der bisherigen bei Ö-Slam siegreichen Personen scrollt, wird schnell bemerken, wie hoch da der Anteil von Slammer:innen aus Tirol ist …

Katrin: Was wir von den jährlichen internen Slam-Szene-Preisverleihungen auch wissen, ist, dass gerade das Publikum in der Bäckerei eines der liebenswürdigsten in Österreich ist.

Wer ist SPoT und was leistet der Verein für eine lebendige Slam-Poetry-Szene in Innsbruck und Tirol?

Anna Maria: SPoT steht für Slam Poetry Tirol und der Vereinsvorstand besteht zum einen Teil aus Menschen, die die Poetry-Slam-Szene Tirols seit Jahrzehnten prägen, wie Markus Köhle und Martin Fritz, und neueren Gesichtern, die seit einigen Jahren aktiv in der Szene sind und mittlerweile auch Organisationsaufgaben übernehmen. Die allermeisten Veranstaltungen in Tirol, die etwas mit Poetry Slam zu tun haben, werden von uns – oft zusammen mit lokalen Veranstaltenden – durchgeführt. Gerade vor zwei Wochen haben wir den letzten „Slam-freien“ Bezirk Reutte erschlossen.

Martin: Was SPoT auch auszeichnet ist, dass es Markus Köhle, der Slam in Tirol mehr oder weniger alleine aufgebaut und jahrelang (fast – Stefan Abermann wäre noch zu nennen, der ebenfalls jahrelang enorm viel ehrenamtliche Arbeit in den Aufbau der Szene gesteckt hat) im Alleingang die Orga-Arbeit geschultert hat, gelungen ist, mit SPoT die Arbeit auf eine breitere Basis zu stellen und eine verlässliche, stabile Struktur aufzubauen. Das ist überregional durchaus nicht selbstverständlich, oft sind es Einzelkämpfer, an denen alleine alles hängt. Da finde ich das von Katrin schon angesprochene Team-Work von SPoT schon bedeutend angenehmer.

Katrin: Besonders wichtig ist auch, dass Slam eben lebendig bleibt und immer wieder neue Menschen auf den Geschmack kommen. Wir bzw. hauptsächlich Anna Maria und Anna haben das dafür besonders wichtige Format des U20-Slam wiederbelebt. Das ist eine Slam-Bühne extra für junge Menschen bis 20 Jahre, wo sie ihre Texte im Theater praesent alle zwei Monate vortragen können. Grundsätzlich stünde ihnen natürlich jede Slam-Bühne offen, aber wir sehen immer wieder, dass so ein explizit für sie geschaffener Rahmen gut angenommen wird.

Das Sujet der diesjährigen Meister*innenschaft – inklusive Otter-Maskottchen. | SPoT

Das Projekt „Ö-Slam Innsbruck 2025“ beschäftigt euch jetzt bereits seit über 2 Jahren. Was waren ausschlaggebende Gründe für die Einreichung der Kandidatur seitens SPoT? Könntet ihr uns ein paar Einblicke in die Organisation geben: Was waren die größten Herausforderungen? Was war sofort klar, woran habt ihr lange diskutiert? Und auch zum Qualifikationsprozess: Wie werden die Kandidat:innen ausgewählt?

Katrin: Der Ö-Slam findet ja jedes Jahr in einer anderen Stadt in Österreich (oder auch Südtirol) statt und da es von denen nicht so viele gibt, „musste“ Innsbruck wieder einmal zum Zug kommen – das ist jetzt die unromantische Antwort, die aber gar nicht so abwegig ist. Mehrere Leute, darunter Leo Dravoj und ich, aber auch Markus Köhle, haben sich vor drei Jahren schon unabhängig voneinander gedacht, dass es wieder einmal Zeit wäre. Der letzte Ö-Slam war ja 2015 in Innsbruck und gerade für eine Stadt, in der die Slam-Szene doch sehr stabil und herzeigbar ist, sind 10 Jahre doch sehr lang. Zuerst hatten Leo und ich uns in den Kopf gesetzt, das 2023 schon zu machen, aber das war dann doch etwas zu naiv, das innerhalb eines Jahres auf die Beine zu stellen. 2024 ist uns Graz dann noch „in die Quere“ gekommen, aber dass es jetzt 2025 geworden ist, finde ich gerade aufgrund des Jubiläums sehr schön.

Martin: Was relativ schnell festgestanden ist: Wenn wir den Ö-Slam schon machen, dann denken wir bei allem frisch gleich groß. Dass z.B. sowohl das U20-Finale und das Einzelfinale in möglichst großem Rahmen stattfinden soll, war von Anfang an klar. Und das ist uns mit dem großen Haus des Tiroler Landestheater dann ja auch gelungen.

Katrin: Es ist auch immer ein bisschen „Geben und Nehmen“, die Szene wird jedes Jahr eben von einem anderen Organisationsteam in ihre Stadt/Region eingeladen, was (wie wir jetzt sehr sehr, sehr, sehr gut selber wissen) unheimlich viel Arbeit bedeutet und da einmal zurückeinzuladen ist durchaus ein Faktor, finde ich. Dann freue ich mich doch auch darauf, mit unserem Slam-Publikum und mit dem, was slam-technisch in Innsbruck möglich ist, ein bisschen angeben zu können. Wir haben eine sehr liebe lokale Szene, großartige Poet:innen, ein tolles Publikum in tollen Locations und das ein Wochenende lang mit der österreichischen Szene teilen zu können, darauf freue ich mich fast am meisten.

Katrin: Wer den Ö-Slam ausrichten „darf“, wird im besten Fall immer zwei Jahre im Voraus beim jeweiligen Ö-Slam beschlossen. Dort gibt es immer ein Meeting zu dem alle Slam-Veranstaltenden des Landes eingeladen sind und dann meldet sich hoffentlich ein Verein oder eine Personengruppe, die es zwei Jahre darauf machen möchte. In der Regel bekommen die dann auch den Zuschlag. So hat das zumindest die letzten Jahr immer funktioniert, das ist aber auch nicht in Stein gemeißelt.

Katrin: Die größte Herausforderung war zu 100% das Zeitmanagement. Wir machen das alle ehrenamtlich und mussten die Organisation dieses Festivals, das halt doch ca. 2.500 Leute anziehen soll, in den letzten zwei Jahren rein in unserer Freizeit organisieren. Da bleibt schon mal was liegen, was wir am Anfang noch ganz unbedingt umsetzen wollten.

Martin: Es ist auch kein Geheimnis oder überraschend, dass ein weiterer limitierender Faktor wie eben überall und immer in der freien Kulturszene das Finanzielle ist. Wir haben zwar Subventionen erhalten und uns um Sponsoring bemüht, aber im Endeffekt ist es eben dann doch überall extrem knapp. Diese Arbeitsbedingungen kennen ja alle, die freie Kulturarbeit leisten, professionell und dennoch ehrenamtlich.

Anna Maria: Die Qualifikation für den Einzelbewerb läuft bei unserem Ö-Slam über ein Mischsystem, einerseits konnten sich Poet:innen über die jeweiligen Landesmeister:innenschaft ihrer Regionen qualifizieren (zum Beispiel Tiroler Meister:innenschaften, eine gemeinsame für Wien und Niederösterreich …). Andererseits haben wir ein Punktesystem entwickelt, bei dem Veranstaltende Poet:innen, die bei ihren Slams besonders gute Leistungen gezeigt haben, nominieren konnten. Die Personen mit den meisten Punkten pro Region haben sich so für den Ö-Slam qualifiziert. Und ein Platz ist für den letztjährigen Gewinner, David Samhaber reserviert, der die Chance hat, seinen Titel zu verteidigen.

Was sind eure Erwartungen an den Ö-Slam 2025?

Anna: Ein wunderschönes dreitägiges Festival in Innsbruck, mit vielen lachenden Gesichtern, Freudentränen, Kampfgeist und Austausch mit den liebsten und schönsten Menschen aus ganz Österreich. Vor allem aber, dass wir am Sonntag auf etwas zurückblicken, auf das wir sehr stolz sind.

Katrin: Ö-Slam ist immer eine immens komprimierte Zeit, in der in jeder Minute so viel Schönes passiert, dass kaum mit Emotionen oder Gedanken nachzukommen ist. Es ist ja immer auch ein Treffen großer Teile der österreichischen Slam-Szene. So viele tolle Leute kennen lernen und wieder sehen, so viele tolle Texte hören, Gespräche führen, Spaß machen und haben, inspiriert werden, wenig schlafen und auf unserer Seite heuer ziemlicher Nervenkitzel und Stress, ob bzw. damit auch alles hinhauen wird.

Martin: Schön wäre, wenn das Festival auch nachhaltig wirkt, dass also hoffentlich viele neue Leute dadurch noch mit unserer Kunstform in Kontakt kommen. Und das vielleicht sogar als was entdecken, was sie selbst einmal ausprobieren wollen – die Slam-Szene kann immer neue Gesichter gebrauchen.

Was hat sich in den letzten zehn Jahren in der Slam-Szene verändert – sei es personell oder inhaltlich?

Martin: Das ist eine sehr große Frage, auf die es eine ganze Reihe auch einander sich auch durchaus widersprechender Antworten gibt. Zum Ende der 2010er-Jahre boomte Slam, das Format wurde breiter bekannt, viele neue Leute kamen dazu und die Szene hat sich schon auch ein Stück weit professionalisiert – mit allen Vor- und Nachteilen, die sowas mit sich bringt. Dann kam bekanntlich 2020 der Einschnitt mit dem Beginn der Pandemie, und der Wiederaufbau der Szene und die Konsolidierung danach ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Also sowohl was das Publikum betrifft, als auch die aktiven Slammer:innen – da galt und gilt es ein paar ganze Jahrgänge neu zu erreichen. Auch dafür ist der Ö-Slam hoffentlich hilfreich.

Was wünscht ihr euch, dass die Zuschauer:innen von den Veranstaltungen mitnehmen (außer wundgeklatschte Hände und heisere Stimmen)?

Katrin: Begeisterung für diese Kunstform, was sie alles kann, was die österreichische Slam-Szene alles kann und dementsprechende Freude daran, sich unsere Texte und Performances immer wieder anschauen zu kommen oder vielleicht auch selbst damit anzufangen, zu schreiben und aufzutreten! Ich wünsche dem Publikum natürlich auch, dass sie aus den Texten ganz viel mitnehmen können werden – aber was das sein wird, werden wir dann auf der Bühne sehen.

Martin: Was Katrin sagt! Ich würde mir auch wünschen, dass Slam als das radikal niedrigschwellige und basisdemokratische Veranstaltungsformat, das es ist, möglichst viele Menschen erreicht und ihnen vermittelt: Kunst zu machen ist etwas, das prinzipiell alle Menschen – also auch sie selbst – machen können, und das vielen Menschen Freude, Trost, Sinn oder einfach nur Fun (oder alles gemeinsam) bringt – so pathetisch das jetzt auch klingt.

| Julia Zachenhofer


Ö-Slam 2025 | Innsbruck | Finale

U20-Finale: Samstag, 18.10., 16:00 Uhr, Großes Haus im Tiroler Landestheater
Einzelbewerb-Finale: Samstag, 18.10., 19:00 Uhr, Großes Haus im Tiroler Landestheater

Alle Infos auf: www.slampoetrytirol.at/oeslam25

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