Vor ein paar Wochen habe ich mich mit der Künstlerin Amanda Burzić in Wien getroffen, um über ihre aktuelle Ausstellung CAN YOU HOLD THIS FOR ME BUT HOLD IT TIGHT (26.06.2025 – 18.01.2026) in der Art Box des Haller Klocker Museums zu sprechen. Der Anblick ihrer Arbeiten hat sogleich etwas Anziehendes – so ging es jedenfalls mir: wie man es Elstern nachsagt, wenn sie etwas sehen, das glitzert. Diese Buntheit, das Funkeln, die fast kindliche Verspieltheit – beim Betrachten fühlt man sich zurückversetzt in eine Zeit, von der man nicht sicher weiß, ob sie wirklich so war oder ob sie sich nur in der eigenen Imagination so zusammensetzt: ein Fantasiezimmer mit Fantasiemöbeln, geschmückt mit unzähligen Aufklebern und glänzenden Oberflächen.

Amanda Burzić hat einen Raum geschaffen, in dem man gerne ein bisschen verweilen möchte – oder vielleicht auch länger, denn es gibt dort endlos viel zu sehen. Es ist auch das Sammeln und Collagieren, das in ihrer Arbeit so präsent ist, und Interesse weckt. Ich finde es immer spannend, was Menschen sammeln und warum – vielleicht, weil das Sammeln etwas sehr Intimes ist, das uns gleichzeitig auch etwas über die sammelnde Person verrät. So war ich neugierig herauszufinden, was es ist, das die Künstlerin selbst an den Dingen fasziniert und was sie mit ihrer Kunst transportieren will.
Burzić‚ Zugang ist dabei zugleich persönlich und reflektiert: Sie arbeitet mit Objekten, die sie im Laufe der Jahre archiviert hat – Fanartikel, Sticker, Zeitschriftenausschnitte, Alltagsobjekte –, und verwandelt diese in vielschichtige, bunte Bildwelten. Ihre Kunst bewegt sich irgendwo zwischen Kitsch, Humor und ein Gespür für das, was echt ist und was nur als echt erscheint. Aber mehr dazu erzählt die Künstlerin selbst im folgenden Interview.
Übrigens: Wer die Künstlerin ebenso persönlich kennenlernen möchte, hat dazu am 8. November im Rahmen der Premierentage Gelegenheit: Um 11:30 Uhr wird sie im Klocker Museum in einem Artist Talk Einblick in ihre Arbeit geben.

komplex: Das zentrale Element deiner Ausstellung sind 300 herzförmige Schlüsselanhänger. Welche Bedeutung haben diese Objekte für dich?
Amanda Burzić: Sie sind etwas Alltägliches und haben eigentlich immer dieselbe Form – also dieselbe Grundidee, wie ein Schlüsselanhänger aufgebaut ist. Gleichzeitig sind sie aber auch etwas, das man sammeln kann. Dadurch werden sie individuell und persönlich, obwohl sie alle in derselben Form existieren. Natürlich haben sie auch die Funktion, den Schlüssel zusammenzuhalten und nicht lose zu tragen, aber selten sind das wirklich unbedeutende Objekte. Oft sind es Souvenirs, Andenken, Geschenke…
Was sind das für Motive, die du für die Anhänger ausgewählt hast? War das eher ein intuitiver Prozess oder lag es dir auch daran, inhaltlich eine Art Erzählung zu transportieren?
Die Motive in den Herzanhängern stammen alle aus meinem persönlichen Archiv – Dinge, die ich als Kind gesammelt habe oder die ich jetzt sammle. Manche habe ich extra ausgedruckt oder aus Büchern ausgeschnitten. Ich habe nichts davon eigens für die Installation angeschafft, alles stammt aus bestehendem Material. Ich arbeite generell viel mit Collage und gefundenen Materialien. Vieles stammt aus meinem großen Archiv – Fanartikel, Merch von Stars, Filmen, Modezeitschriften. Es geht immer auch um eine Idee von Fantasie, um einen Idealzustand.
Fankultur ist für mich ein sehr wichtiges Thema, weil sie so persönlich ist. Mich interessiert besonders diese spannende Grenze: Was ist Fanart, was ist einfach nur idealisierend – und ab wann wird es zu Kunst? Ich finde das sehr faszinierend, vor allem, wann etwas aufhört, nur Werbung zu sein. Das spielt stark mit hinein: Es ist zwar etwas Kapitalistisches und vielleicht Unromantisches, aber ich finde das Phänomen des Fan-Seins an sich spannend – wie sehr es durch das Materielle geprägt ist, durch das Sammeln von Objekten. Wie sehr wird man dadurch zu einem „besseren“ Fan als jemand, der vielleicht nicht alles kaufen oder sammeln kann? Das hat auch viel mit Reichtum und Ressourcen zu tun.

Du hast gerade Fan-Art angesprochen. Wovon bist du selbst Fan?
Ich bin großer Fan von Horrorfilmen. Diese Vielschichtigkeit fasziniert mich – Horror ist ein ganz eigenes Genre. Horrorfilmfans bilden auch eine besondere Gruppe: sehr treu, sich bewusst, dass das nichts für alle ist – ganz klar eine Nische. Natürlich gibt es viel Horror in der Popkultur, jeder hat mal einen gesehen, aber es ist kein Genre, das man sich einfach so allein zuhause anschaut. Horrorfilme sind fordernder als andere Genres.
Ich finde, sie spalten ein bisschen ab – und sie haben mich schon als Kind begleitet. Ich mag diesen dunklen Twist, der auch etwas sehr Österreichisches hat: eine Mischung aus Humor, einer Art poetischer Sprache, aber gleichzeitig etwas Düsteres. Und ich finde, das fasst auch das Weibliche gut zusammen – viele Horrorfilmfans sind übrigens Frauen.
Benutzt du selbst Schlüsselanhänger im Alltag? Wie sehen diese aus?
Ich habe zwei Schlüsselanhänger: einen kleinen Maulwurf und einen von The Last of Us Part II, dem Videospiel, von dem ich auch ein großer Fan bin – genauso wie vom Maulwurf.
Du beschreibst dich auch als Sammlerin. Was sind das für Dinge, die du sammelst? Und was bedeutet das Sammeln an sich für dich?
Ich sammle vor allem Sticker – wegen der Collagen. Sie haben schon eine Klebefläche und sind dadurch praktisch. Ich benutze sie direkt, manchmal male ich sie auch im Großformat ab, scanne sie, mache größere Ausdrucke und male sie anschließend weiter aus. Manchmal zerschneide ich sie in kleine Stücke, setze sie neu zusammen oder klebe sie übereinander. Andere lasse ich unverändert.
Der Sticker an sich ist etwas sehr Alltägliches. Es gibt aber auch Sticker, die explizit zum Sammeln gedacht sind – wie etwa die Spar Stickermania, die es schon ewig gibt. Ich finde schön, dass so etwas Teil des Alltags ist.Es ist ja schon so ein Ding geworden, wie zum Beispiel die Oma, die einkaufen geht und die Sticker aufbewahrt für die Enkelkinder, die am Nachmittag vorbeikommen.
Das Sammeln selbst ist ein wiederkehrendes Phänomen. Auch bei Briefmarken, deren Motive sich ständig ändern – das hat im Grunde auch keinen praktischen Nutzen, so werden sie aber gesammelt. Wenn man an Sammeln denkt, denkt man sofort an Briefmarken, dabei sind das im Grunde auch nur Papierstücke, die kleben. Es geht um Abbildungen, die einen ansprechen – aber auch um Vollständigkeit. Sammeln hat etwas Endloses und zugleich Nicht-Funktionales, und trotzdem ist es etwas sehr Präsentes, etwas, das man immer wieder tut.
Hast du ein bestimmtes System, wie du deine Sammlung ordnest oder archivierst?
Ein richtiges System habe ich nicht. Ich habe es ab und zu probiert, aber da ich aktiv mit den Dingen arbeite, die ich sammle – also Sticker, Bücher, Spielfiguren – geht es vor allem darum, wie zugänglich sie während der Arbeit sind. Es hilft mir, wenn ich sie in Kisten, Koffern oder Euroboxen einsortiere und nach Form oder Thema trenne.
Zum Beispiel habe ich eine Schachtel mit Buchstabenstickern, eine mit Digimon-Stickern, eine mit 3D-Stickern usw. Oft brauche ich für Collagen bestimmte Buchstaben, also ordne ich so, dass es meinem Arbeitsprozess entspricht und ich nicht lange suchen muss. Es ist aber nicht besonders „sammlerfreundlich“. Ich würde die Sachen gern besser konservieren, aber da ich ständig damit arbeite und eingreife, wäre das zu aufwendig.
Viele deiner Werke entstehen aus gefundenen oder gesammelten Dingen. Fällt es dir schwer, dich von diesen Objekten zu lösen, wenn du sie in deine Kunst einarbeitest?
Nein, das fällt mir tatsächlich gar nicht schwer. Früher, als Kind oder auch später, wenn ich Dinge gesammelt habe, einfach weil ich sie haben wollte, war das anders – da fiel es mir schwer, etwas zu verwenden oder zum Beispiel einen Schlüsselanhänger an eine Tasche zu hängen. Aber beim Kunstproduzieren ist das anders. Ich schätze die Dinge und das Material sehr für das, was sie sind, aber ich kann sie auch gut als Arbeitsmaterial sehen und trennen.

In der Ausstellung sind auch drei von dir collagierte Magazine zu sehen. Collage ist ein zentraler Bestandteil deiner Praxis – wie bist du dazu gekommen, und was fasziniert dich an dieser Methode?
Ausgehend von Mode, Werbung und Werbesprache – das hat mich schon immer interessiert und inspiriert, seit ich denken kann. Werbung ist eine Form von Kommunikation, sehr visuell, aber gleichzeitig stark textbezogen. Mich fasziniert, wie subtil und vielfältig sie sein kann: emotional, trocken, humorvoll, leicht bedrohlich – und dass in der Werbung irgendwie alles erlaubt ist. Das ist fast wie ein „safer“ Ort: Es geht um Konsum, und man nimmt das alles nicht so ernst, weil klar ist, dass etwas verkauft werden soll.
Dieses Spannungsfeld, in dem alles existieren darf, hat mich immer sehr fasziniert – auch auf der Textebene. Die Verbindung von Text und Bild beschäftigt mich schon lange. Als ich intensiver abstrakt gemalt habe, habe ich gemerkt, wie stark Titel eine narrative Dimension erzeugen können. Gerade bei abstrakten Bildern, die objektiv wirken, kann ein Titel die Wahrnehmung stark lenken. Mich interessiert dieses Spiel zwischen Eingrenzung und Offenheit – und das lässt sich in Collage und Werbung sehr gut weiterdenken. Es geht mir immer um das Zusammenspiel von Text und Bild, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, ergänzen oder widersprechen.
Die Ausstellung in der Art Box ist wie ein Zimmer eingerichtet und suggeriert private Einblicke. Welche Rolle spielt das Thema Intimität in deiner Arbeit?
Eine große Rolle. Vor allem die Frage, was echte Intimität ist – was echte Sehnsucht, echte Nähe – und was davon konstruiert oder als Intimität verkleidet ist. Das fasziniert mich sehr: dieses Dazwischen von „das wirkt sehr persönlich“, aber ist es wirklich persönlich? Wie viel davon ist authentisch, wie viel gespielt oder performativ? Dieses Spannungsfeld interessiert mich besonders.
Wie sind die Möbelstücke entstanden – und sind sie auch noch als Gebrauchsobjekte denkbar?
Sie sind auf jeden Fall grundsätzlich gebrauchsfähig. Nachdem ich fertig collagiert habe, überziehe ich sie mit einer Schicht Epoxidharz, um sie zu versiegeln. Die Collagen bzw. die skulpturalen Arbeiten der Ausstellung sind also weiterhin verwendbar – aber sie sind nicht unbedingt dafür gedacht, im Alltag benutzt zu werden.Das Harz macht die Oberfläche uneben, teils etwas spitz, also nicht unbedingt praktisch. Ich gieße das Harz vor allem, um die Arbeiten zu konservieren. Auch hier spielt wieder das Dazwischen eine Rolle: Es war mal ein Tisch, jetzt ist es ein Kunstwerk. Man könnte ihn noch als Tisch verwenden, wird es aber wahrscheinlich nicht. Es geht auch um die Frage, was mehr Wert hat – muss ein Objekt eine Funktion haben, um das zu sein, was es vorgibt?
Gleichzeitig sind es persönliche Möbelstücke – zum Beispiel das Bett, das in Salzburg ausgestellt war, war das Bett, in dem ich als Jugendliche geschlafen habe. Das sind also sehr intime Objekte für mich, die eigentlich nicht mehr nur als Möbel fungieren sollen. Es geht viel um dieses Dazwischensein – was ist echt, was gespielt, wie authentisch ist etwas und wie sehr bleibt es das, was es vorgibt zu sein.

Du arbeitest ja viel mit Epoxidharz. Welche Eigenschaften reizen dich an diesem Material?
Es ist ein schweres, strenges Material: giftig, klebrig – man muss es exakt so anmischen, wie vorgeschrieben. Es ist auch nicht günstig und sehr rigide im System. Gleichzeitig hat es diesen interessanten Kontrast: Es ist ein Industrie- bzw. Baumaterial – das Harz, das ich verwende, wird eigentlich für Böden benutzt. Ich finde es spannend, dieses harte, durchdringliche, aber gleichzeitig durchsichtige Material auf etwas so Ephemeres wie Magazine oder Sticker anzuwenden, um es zu konservieren.
Das Harz ist dafür dankbar, es gibt dem Materialkontext einen starken Kontrast. Ich mag generell Gegensätze – zwischen dem Harten und Durchdringlichen und dem Kleinen, Spielerischen, Spielzeughaften.
Der Titel „CAN YOU HOLD THIS FOR ME BUT HOLD IT TIGHT“ wirkt wie eine Bitte, die mit Vertrauen verbunden ist. Was bedeutet er für dich im Kontext der Ausstellung?
Ich möchte gar nicht zu viel sagen, was der Titel für mich bedeutet. Wenn ich Titel auswähle, denke ich sehr lange darüber nach. Wenn sie dann gefunden sind, fühlen sie sich meistens so stimmig an, dass ich gar nichts mehr hinzufügen will. Ich finde, wenn man in der Ausstellung steht, den Titel kennt und sich die Arbeiten ansieht, ergibt sich alles von selbst – zumindest wünsche ich mir das so.

Du bist auch im Kollektiv EDITION aktiv und kuratierst Ausstellungen. Nach welchen Kriterien wählst du Künstler:innen aus? Was spricht dich persönlich an, wenn du Kunst betrachtest?
Die EDITION machen wir seit 2017 – das sind vier Malereikolleginnen von mir aus der Kunstuniversität Linz, mit denen ich sehr gern arbeite. Wir realisieren immer wieder Projekte, manchmal kuratieren wir uns selbst mit in Gruppenausstellungen hinein.
Wir sehen alles als Prozess: Was wollen wir sehen oder zeigen?
Wenn wir ein Jahresprogramm zusammenstellen – was wir in letzter Zeit weniger gemacht haben, weil wir gerade keinen eigenen Raum haben – orientieren wir uns stark daran, was uns selbst beschäftigt, welche Künstler:innen wir spannend finden und welche Themen uns gerade faszinieren.
Wir sind auch offen für Leute, die auf uns zukommen. Uns verbindet die Freude an einer ehrlichen Faszination für das, was jemand macht. Man spürt in Arbeiten, ob eine bestimmte Ehrlichkeit vorhanden ist – das zieht mich immer an. Diese Ehrlichkeit versuche ich auch in meiner eigenen Praxis einzubinden, verbunden mit der ständigen Frage: Für wen ist das gerade? Warum mache ich das überhaupt? Will ich das wirklich machen? Das frage ich mich selbst sehr oft beim Kunstproduzieren.
| Brigitte Egger
Am 16. Oktober eröffnete Amanda Burzić ihre erste Solo-Show „Fruit and Flies“ in der Galerie Steinek in Wien. Die Ausstellung ist noch bis 20. November zu sehen.
Amanda Burzić
(*1994 in Salzburg, lebt und arbeitet in Wien) malt auf Leinwand, Kleidung und Gegenstände des Alltags – und das nicht nur mit Farbe. Mithilfe von Stickern, Steinen und Sprüchen schafft die neue Stipendiatin der Klocker Stiftung ehrliche und intime Arbeiten, die sich zwischen Kitsch, Humor und Gefühl bewegen.
