Am 2. Februar 2024 hat in der Marktgemeinde Telfs die Kultur Weberei zu ihrer ersten Veranstaltung geladen. Die Eröffnungsfeier – man kann schon fast von einer „Zeremonie“ sprechen – hat veranschaulicht, dass hier nicht nur viele an einem Strang ziehen, sondern die gesponnenen Fäden auch noch ein schönes Ganzes abgeben. Wie das zustande gekommen ist und was vielleicht noch daraus werden kann, steht in diesem Beitrag*.
*Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Reihe „kultur:los“ über Bedingungen, Chancen und Herausforderung der Kulturarbeit in den ländlichen Tiroler Regionen. Gefördert wird die Reihe von kulturimpulstirol.

Es war eines meiner ersten Live-Konzerte überhaupt, das ich vor ungefähr 15 Jahren in den Räumlichkeiten der nun neu eröffneten Kultur Weberei Telfs erlebt habe – damals trug die Location am Pischl-Gelände noch den Namen „Spätschicht“. Das Plakat jener Veranstaltung hängt dort immer noch im Backstage-Bereich: The Tarantino Experience. Auch wenn ich vor diesem Konzertbesuch noch nicht wusste, was Tarantino überhaupt bedeutete, erinnere ich mich heute noch gut daran, dass jener Abend mein cineastisches Interesse weckte. Die Spätschicht (und später die „Riddim Bar“) war einer der seltenen Orte in meiner näheren Umgebung im Oberland, wo ich als Jugendliche vielseitige kulturelle Veranstaltungen besuchen und mich mit Menschen austauschen konnte, die meine Interessen teilten.

Einige dieser Bekanntschaften habe ich am 2. Februar bei der Eröffnung der Weberei wieder getroffen. Während ein etwas älteres Publikum von nostalgischen Gefühlen schwärmt, fangen die jüngsten Gäste erst an, in diesem Raum Geschichten und Erinnerungen zu spinnen. Denn „ein Ort für Kultur kann auch Platz für Spinnereien sein“, drückte es Eigentümer Rainer Pischl, der selbst mit Begeisterung hinter diesem Projekt steht, in seinen Worten bei der Eröffnung aus. Die Pischls freuen sich besonders über den neuen Namen „Kultur Weberei“, der auf ihre Jahrhunderte alte Familien-Tradition, das Lodenhandwerk, zurückgeht. Auch wenn der Handwerksbetrieb in der alten Fabrik mittlerweile eingestellt ist, wird heute zumindest noch im symbolischen Sinne weitergewebt:
„Die ursprüngliche Idee, aus vielen einzelnen Fäden einen Stoff entstehen zu lassen, ist auch die Idee unseres Vereins und ein Grund, warum wir ihn so benannt haben. Wir wollen die vielen verschiedenen Facetten – um nicht zu sagen Garne – aus denen unsere Gesellschaft insgesamt und im engeren Sinne Telfs und die Region drumherum besteht, verbinden und ineinander verflechten und so einen Stoff der kulturellen Vielfalt kreieren“,
sagt Vorstandsmitglied Katharina Klug. Entstehen soll ein Ort der Vielfalt, an dem nicht nur mehrere Generationen, sondern auch Kulturen aufeinandertreffen.

Ganz in diesem Sinne gestaltete sich das Programm des Eröffnungsabends: eine wohl selten anzutreffende Kombination aus traditioneller Blasmusik und alternativen Rockbands. Eingeleitet wurde die Zeremonie im Vorhof des Pischl-Geländes mit dem Einmarsch der örtlichen Marktmusikkapelle Telfs. Anschließend fand eine Segnung der neuen Räumlichkeiten durch den Dekan Peter Scheiring statt, bevor es dann im ersten Stock mit den lauten Bands Pechvogel und Electric Super Wolves weiterging. Schnell füllte sich der Raum mit Angehörigen unterschiedlichster Szenen, ob im Punk-Style oder mit traditioneller Montur, ob Jugendliche oder Pensionist:innen – fehl am Platz hat sich da wohl keiner gefühlt. „Die Weberei ist ein Raum, in dem Jung und Alt, Dåige und Zuagroaste, Feministinnen und Patriarchen an der gemeinsamen Kultur spinnen“, sind sich die Betreiber:innen einig. – Ein ungewöhnliches Phänomen in einer Zeit, in der gesellschaftliche und ideologische Spaltung wieder vermehrt zu spüren sind. Umso größer das Potenzial, denn es zeigt, dass es gelingen kann, Menschen zusammenzubringen und für eine gemeinsame Sache zu begeistern. Davon zeugt nicht zuletzt die generationsübergreifende Mitgliederliste der Kultur Weberei. Die zählt mittlerweile bereits über 50 Personen zwischen 18 und 82 Jahren.

Unterstützt wird die Initiative auch von der Gemeinde Telfs, darunter Bürgermeister Christian Härting, Vizebürgermeister Hannes Augustin und Kulturreferentin Theresa Schromm, die auch persönlich vor Ort waren und mit Stolz die Eröffnung des neuen Kulturzentrums feierten. Auch wenn die rund 16.000 Einwohner:innen-Marktgemeinde kulturell breit aufgestellt ist – von Ausstellungen in der Villa Schindler oder im Noaflhaus, Literaturveranstaltungen durch die Bibliothek oder den landesweit bekannten Aufführungen der Tiroler Volksschauspiele –, so schließt die Kultur Weberei nun eine Lücke:
„Was uns in Telfs fehlt ist Raum für Subkultur. Für junge Bands und Formationen. Ein Raum zum Ausprobieren und Sich–Austoben. Dies hat sich mit dem Entstehen der Kultur Weberei geändert. Ich bin diesen mutigen Menschen unglaublich dankbar, dass sie ihr Herz und ihren Verstand gepackt haben und mit einer unglaublichen Portion an Durchhaltevermögen und Überzeugung dieses Projekt umgesetzt haben“,
so Kulturreferentin und Gemeinderätin Theresa Schromm, die sich bereits persönlich auf die kommenden Veranstaltungen in der Kultur Weberei freut.

Durchhaltevermögen hat nicht zuletzt Obmann und Telfer Künstler Jesse Grande bei der Konzeption des Projekts und dessen Finanzierung gezeigt. Neben der Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft durch lokale Unterstützer:innen und einer Projektförderung für ein regelmäßig stattfindendes Kulturprogramm durch das Land Tirol und der Marktgemeinde Telfs soll die Pilotphase vor allem mittels des EU-Förderprogramms LEADER überbrückt werden, für das erst kürzlich ein Regionalmanagement-Büro für Innsbruck-Land eingerichtet wurde. Damit gehört die Telfer Weberei zu den wenigen freien Kulturinitiativen Tirols, die sich an den aufwendigen Förderprozess dieses Programms wagten. Mit den EU-Geldern sollen erste Umbauarbeiten, unter anderem ein Treppenlift und Toiletten im Sinne der Barrierefreiheit, sowie die Teilzeit-Anstellung der Geschäftsführerin, Tabea Köhle, finanziert werden. „Die Idee des LEADER Programms ist toll: Bottom-Up-Prinzip, Förderung innovativer Aktionen im ländlichen Raum, Regionalität und Nachhaltigkeit“, so Jesse, aber es gibt auch negative Seiten: „Die faktische Abwicklung hat uns viel Zeit, Geld und Frustration gekostet.“ Als Beispiele dafür nennt er die Voraussetzung einer hohen Vorfinanzierung, keine Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Zuständigkeiten (was auch die Kommunikation erschwere) und zum Teil widersprüchliche Nachhaltigkeitsprinzipien (etwa würden nur Neuanschaffungen gefördert werden, kein gebrauchtes Inventar).
Was die Antragsprozedur der EU-Förderung im Fall der Telfer Kultur Weberei aufzeigt, ist, dass sich Bedingungen der Kulturarbeit immer komplexer, anspruchsvoller und bürokratischer erweisen. Zum einen werden von der Politik sehr hoch dotierte Förderprogramme für Kultur angepriesen, zum anderen sind die Anträge für diese Gelder derart aufwändig und undurchschaubar konzipiert, dass es wiederum eigens eingerichtete und finanzierte Agenturen braucht, die bei der Beantragung zur Unterstützung herangezogen werden müssen. Dazu kommen noch weitere Hürden wie die erforderte Vorfinanzierung, die nur in seltenen Fällen von (insbesondere neuen und/oder freien) Kulturinitiativen gestemmt werden kann, sowie eine lange Liste zu erfüllender Auflagen, die dafür sorgt, dass freie Kulturarbeit ihr Adjektiv verliert und sich stattdessen in den Dienst einer „cultural policy“ stellt. So fließen politische Agenden und ökonomische Ziele häufig in staatlich finanzierte Kulturförderprogramme ein.
Von diesen Herausforderungen hat sich die junge Initiative aber nicht abschrecken lassen und will in den nächsten Wochen und Monaten dafür sorgen, dass die Kultur Weberei Telfs ihrem Publikum ein breit aufgestelltes Kulturprogramm sowie einen professionell ausgestatteten Raum bereitstellen kann – und das bei spendenbasiertem Eintritt und ohne Konsumzwang, denn kulturelle Bildung muss für jede:n leistbar sein. Um dennoch genügend Eigeneinnahmen zu generieren, wird auf Förderbeiträge aus der lokalen Community und Sponsoringpakete für Unternehmen gesetzt. Die wiederum liegen einer engagierten Öffentlichkeitsarbeit zugrunde. Für den Auftakt ist es der Telfer Kultur Weberei jedenfalls gelungen, mediale Aufmerksamkeit auch bei den großen Medienhäusern zu erzeugen. Das ist insofern bemerkenswert, als viele freie Kulturinitiativen häufig keinen Zugang zur landesweiten Berichterstattung erlangen. Zu hoffen bleibt, dass dieser mediale Hype auch nach der Eröffnung noch Bestand hat.

Das Motto „fertig ist der Raum noch nicht und er wird auch nie fertig werden“ – wie es der Obmann in seiner Eröffnungsrede bekräftigt – bezieht sich nicht nur auf die bevorstehenden Umbauarbeiten, sondern ist hier auch Programm. Denn der Grundgedanke ist, mit der Weberei einen adaptierfähigen Raum zu schaffen. Inspiriert von anderen Kulturkonzepten wie jenem des Gasthof Neuwirth in Wattens oder der p.m.k in Innsbruck soll das kulturelle Angebot von mehreren Initiativen und engagierten Menschen mitgestaltet werden – interdisziplinär, interkulturell und intermedial. Außerdem wird dafür gesorgt, dass es allen Vereinen und Organisator:innen einfach möglich ist, ihre Veranstaltungen als Green Events gemäß der Kriterien des Klimabündnis Tirol umzusetzen: Auf Pfandbechersystem, Mülltrennung und regionales gastronomisches Angebot wird geachtet, zudem wird die Anreise mit Öffis empfohlen, die durch eine Buslinie von Innsbruck nach Telfs (mit wenigen Gehminuten zur Haltestelle) schaffbar ist.
Mit der Telfer Kultur Weberei wurde mit viel Engagement und Leidenschaft ein Raum geschaffen, um sich vielseitig auszuprobieren und gemeinsam Neues zu lernen. Sie ist ein Ort, wie es in Tirol viele geben sollte. Wir sind gespannt, wie sich das Projekt entwickelt und wünschen den Betreiber:innen alles Gute.
Wer die Initiative mit einem Förderbetrag unterstützen möchte, kann sich an office@kulturweberei.at wenden.
| Brigitte Egger
