Seit Anfang 2023 gibt es in Innsbruck das EAT Network. EAT ist kurz für Empower and Transform. Die Idee dafür hatten die DJs BC-A, DJ Mackerschreck, Jojo Mue, Barbara B, Subversiv Nachtaktiv und Emma Helena aus einem ganz klaren Bedürfnis heraus: Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans und agender Personen, kurz FLINTA* DJs, Visual Artists, Producers, Licht- und Tonmenschen, müssen sichtbarer werden. In einer Szene, die immer noch sehr von Männern dominiert ist, will EAT Künstler*innen unterstützen und auf Augenhöhe begegnen. Initiativen wie DJ Workshops, die Teilnahme an der nacht:leben Konferenz, dem Aktionstag gegen genderbasierte Gewalt, die Mitarbeit am #technometoo Forderungspapier und Stage Hostings wie bei dem DIAMETRALE Filmfestival oder dem Bonanza X Lugila Festival zeigen, dass die Transformation auch in der Innsbrucker Clubszene in vollem Gange ist. Und EAT ist mittendrin.

Mittlerweile hat das Netzwerk über 40 Mitglieder, die sich regelmäßig in der Discord-Gruppe austauschen. komplex hat vier Mitglieder mit individuellen Perspektiven getroffen, die erzählen, wie das Netzwerk entstand und wie es auch auf ganz kleiner Ebene Großes bewirkt:
BC-A ist Gründungsmitglied von EAT. Seit 2017 legt sie auf und verfolgt seither das Ziel, gleichgesinnte FLINTA* zu vernetzen. Zuvor auch involviert in das Wiener DJ-Netzwerk PUSH, konzentriert BC-A heute ihre Ressourcen auf die ehrenamtliche Arbeit für EAT.
komplex: Du bist ja ein Gründungsmitglied von EAT. Wie kam es dazu und was war die Idee?
BC-A: Ich weiß gar nicht mehr, ob ich das an einer konkreten Situation festmachen kann. Woran ich mich jedenfalls erinnere, ist, dass Subversiv Nachtaktiv, Jojo Mue und ich im Sommer 2022 bei der Slutwalk Afterparty in der Arche*Ahoi aufgetreten sind. Das war eine schöne Party, wo wir das Gefühl hatten, sowas bräuchte es eigentlich öfter – wo spürbar ist, da sind Menschen in die Organisation involviert, die sich Gedanken darüber machen, wie die Party ein safer Space werden kann, sodass du dich sowohl als Gast als auch als DJ wohlfühlst. Daraus hat sich der Gedanke entwickelt, dass wir uns doch zusammentun könnten. Zu dieser Zeit sind dann auch bald Barbara B, Emma Helena und DJ Mackerschreck dazugestoßen. Und es gab natürlich auch Erlebnisse, die wir und andere FLINTA* im DJ-Freund:innenkreis gesammelt haben, über die wir uns ausgetauscht haben. Also, was übergriffiges Verhalten angeht, was sexistische Kommentare angeht, was die Türpolitik angeht. Daraus hat sich so ein bisschen der Wunsch entwickelt, dass wir einen Ort brauchen, wo wir darüber reden können, wo wir uns austauschen und gegenseitig unterstützen können. Und einen Schritt weitergedacht: ”Wie bringen wir unsere Gedanken nach draußen und erreichen Booker, Clubbesitzer und Promoter?“
Was war der Moment, wo ihr euch gedacht habt, jetzt muss wirklich etwas geändert werden?
Kannst du dich zufällig noch an diese ÖH Party Ende 2022 erinnern? Da gab es einen kleinen Aufschrei, erstens, weil keine einzige FLINTA* für das Lineup vorgesehen war und zweitens, weil ein männlicher DJ im Vorfeld – als online auf das rein cis-männliche Lineup hingewiesen wurde – unter einem Instagram Post geschrieben hatte, ihm wäre keine einzige weibliche DJane (allein schon diesen Begriff lehnen wir ab) im Raum Innsbruck bekannt. Das war dann eigentlich die Vorlage für uns zu sagen: „Es ist gut, dass wir dieses Netzwerk starten.“ Da waren wir schon im Aufbauen und Gründen und dann war klar, es braucht wirklich was, weil es scheinbar doch für einige noch nicht sichtbar ist, wie viele FLINTA* DJs es tatsächlich gibt. Und einfach auch um zu zeigen: „Schaut her, dieser Instagram Account ist eure Anlaufstelle, macht eure Arbeit als Booker, geht nicht her und sagt, ihr wisst nicht, wen ihr buchen könnt, oder dass es keine gibt, die den passenden Sound spielt. Recherchiert ein wenig, das wäre halt einfach das bare minimum.“ Das ist z. B. auch ein Grund, warum wir bei EAT keine Genre Vorgaben haben.
Und natürlich gab es auch eine ganze Sammlung an Erfahrungen, die uns klargemacht hatte, dass wir da strukturell noch ganz tief in Geschlechterklischees feststecken. Von Sprüchen wie: „Kannst du überhaupt auflegen, wenn kein fancy Mixer vor dir steht?“ zu Situationen, in denen ein männlicher Partygast einfach den Geschwindigkeits-Fader während des Auflegens verschoben hatte, so quasi um zu testen: „Kannst du da grad damit umgehen?“, bis hin zu Aussagen wie “Weibliche DJs müssen gar nicht auflegen können, die müssen eh nur gut ausschauen, um gebucht zu werden”. Dann gibt es auch Männer, die touchy werden, dir ungefragt den Arm über die Schultern legen oder ein Busserl auf die Wange drücken oder ungefragt einen Shot ausgeben, weil du beim Auflegen “so böse dreinschaust”. Und dann gibt’s auch noch die Männer, die glauben, sie werden diskriminiert, wenn sie an FLINTA*-only Angeboten nicht teilnehmen dürfen.
Was man aber trotzdem sagen muss, es tut sich wirklich einiges in Innsbruck und solche Aussagen und Situationen werden zum Glück weniger. Auch die Monatsprogramme einzelner Clubs sind zum Teil recht voll mit FLINTA*s, was sehr cool ist. Wenn noch mehr Männer ihr sexistisches Verhalten, oder das ihrer Bros, reflektieren anfangen, dann ist ein weiterer wichtiger Schritt geschafft.
Du hast gesagt, in Innsbruck verändert sich gerade viel. Was sind denn die nächsten Sachen, die sich verändern müssen?
Wir haben jetzt so nach einem Jahr EAT ein Fazit gezogen, das ist in etwa mit der nacht:leben Konferenz zusammengefallen, wo wir auch diesen Workshop zu Diversity hatten. Unser Eindruck war, dass wir im Bereich Empowerment eigentlich schon recht gut aufgestellt sind. EAT geht ja auf die zwei Begriffe ‚Empower‘ und ‚Transform‘ zurück. Das sind so die grundlegenden Ziele, die wir uns gesteckt haben. Auf der einen Seite steht das Empowerment, das beinhaltet Dinge wie das gegenseitige Unterstützen, Bookinganfragen weitergeben, Workshops anbieten. Sichtbarkeit ist ein weiterer Punkt, wo wir das Gefühl haben, wir stehen recht gut da. Wir haben ein monatliches Hosting auf Res Radio, einem unabhängigen Wiener Sender, wo wir jeweils zwei Slots für DJ Sets vergeben können. Wir haben ein monatliches Hosting aktuell im Kater Noster, wo auch immer zwei Slots gefüllt werden können. Wir starten jetzt gerade unsere Porträtreihe auf Instagram, wo wir die einzelnen DJs näher vorstellen. Und wir organisieren regelmäßig Open Meetings, wo wir einfach gemütlich zusammenkommen und Erfahrungen auf Augenhöhe austauschen.
Wo wir aktuell ansetzen wollen, ist der zweite Teil unseres Namens, nämlich beim ‚Transform‘. Das ist einfach auch dem geschuldet, dass es nach wie vor nicht ausreichend Auseinandersetzung mit Themen wie Awareness und Türpolitik gibt. Wie kreiert man einen safer Space? ‚Safe Space‘ verwenden wir nicht als Begriff, weil es nicht garantiert werden kann, dass ein Space tatsächlich safe ist. In dem patriarchalen System, in dem wir leben, wäre es nicht möglich, davon auszugehen, dass ein Raum wirklich zu 100 % safe sein kann. Aber wir wollen uns dem annähern und das Setting so sicher wie möglich gestaltet wissen. Dabei beschäftigen uns Fragen wie: Wo können wir mit gutem Gefühl für Hostings andocken? Wo sind die Clubs in Innsbruck, die nicht vorbelastet sind durch irgendwelche Vorfälle, die eine oder mehrere von uns erlebt haben? Es braucht insgesamt mehr Aufklärung und Schulungen, wie bei sexuellen Übergriffen zu handeln ist – auf der Seite des Personals – es braucht mehr Bewusstsein innerhalb der Gäste – dass es z. B. nicht in jeder Situation cool ist, als Mann oberkörperfrei zu tanzen, und dass ein Nein auch als Nein zu verstehen ist. Unser Ziel ist ganz konkret, Konzepte zu entwerfen. Das wären dann z. B. Awareness- oder Safety Rider, die wir im besten Fall auch wirklich den Clubs in die Hand geben und sagen: So und nicht anders wollen wir die Atmosphäre hier schaffen, wenn wir bei euch veranstalten. Solche Rider können übers Netzwerk hinaus natürlich auch zum Werkzeug für einzelne DJs werden, die sie den Clubs mitschicken, um zu zeigen: Ich spiele sehr gerne bei euch, danke für die Anfrage, ich hätte aber gerne, dass diese und jene Maßnahmen vorher umgesetzt sind, damit ich mich wohlfühle und damit die Leute sich wohlfühlen, die bei euch zu Gast sind. Das heißt, es geht hauptsächlich um Aufklärungsarbeit. Woran es fehlt, sind die Ressourcen. Neben all dem, was sowieso schon passiert, muss man erst mal Zeit finden, sich wirklich hinzusetzen und ein Konzept auszuarbeiten. Aber das wäre mal der Fokus für dieses Jahr.
Was würdest du DJs, die sich überlegen bei euch aktiv zu werden, mitgeben?
Ich glaube, es könnte nach außen der Eindruck entstehen, dass wir ein eingeschworener Kreis sind, wo man vielleicht Hemmungen hat, anzudocken. Aber ich habe das Gefühl, wir bauen das so nach und nach ab. Es sind eben nicht wir sechs Gründerinnen und der Rest, sondern alles passiert auf Augenhöhe. Klar, wir haben den Stein ins Rollen gebracht. Aber ich glaube, dass es ganz wichtig ist zu sagen, dass es von vornherein unser Ziel war, Hierarchien abzubauen und uns als Gründerinnen nicht “höher” zu positionieren. EAT gehört uns allen und wir FLINTA*s gestalten das Netzwerk gemeinsam. Wir sind viele, und wir werden mehr, und das ist sehr schön.
DJ Aufsichtsrat kommt ursprünglich aus Osttirol und studierte und arbeitete lange in Wien. Für die Arbeit zog sie schließlich nach Nordtirol. Heute arbeitet sie in der Qualitätssicherung in der Pharmaindustrie und ist Mama. Während viele ihrer Freunde noch in Wien leben, vermisste sie zunehmend das Nachtleben. So entschied sie, die Party zu sich nach Hause zu bringen, auflegen zu lernen und aktiv zu werden. Über Instagram fand sie das EAT-Netzwerk und nahm an einem ausgeschriebenen Wettbewerb für einen DJ-Gig teil. Seitdem ist sie aktiver Teil des Netzwerks.
Komplex: Was hat dich so angesprochen an EAT?
DJ Aufsichtsrat: Also ich habe schon nach Netzwerken gesucht und es hat mich voll angesprochen, dass da viele Frauen dabei sind und das alles so lebendig ist. Das war einfach direkt mein Ding: total niederschwellig, für FLINTA‘, easy und mit der Möglichkeit, mein Können unter Beweis zu stellen- das hat mich totally hooked. Und die Leute dort sind einfach super lieb. Es gibt regelmäßige Meetings und da lernt man viele neue Menschen kennen und erfährt auch, wie das in Innsbruck so in den Clubs abläuft. Die Gründungsmitglieder sind total supportive und voll nett. Und dann gibt es auch manchmal die Möglichkeit von Open Decks und da lernt man immer andere DJs kennen, die in ähnlichen Lebenslagen sind und das verbindet, macht echt Spaß und ist total gut für mich meine Liebe zur elektronischen Musik so ausleben zu können und Teil eines so unterstützenden Netzwerks zu sein.
Hast du Erfahrungen gemacht, wo du froh warst, dass du Teil dieses Netzwerks bist und dass du diese Unterstützung von vielen anderen FLINTA* hast?
Ja total. Es ist der mega Vorteil, dass es so ein Frauen Netzwerk gibt. Ich meine, ich bin ja noch nicht lange in diesem Business, aber das heißt nicht, dass man mich deswegen schlechter behandeln darf. Und wenn man dann mit anderen darüber redet und versteht, dass da alle dahinter sind und an einem Strang ziehen, dass man versucht, gemeinsam Frauenfeindlichkeit abzubauen und dabei auch miteinander mehr redet, das ist halt schon ein Riesenvorteil. Verständnis und Information darüber, wo man als DJ oder auch als Partygast hingehen kann und wo man vielleicht nicht so sicher ist,das ist auch wichtig – aber auch traurig, dass auch diese Informationen dann irgendwie zusammenschweißen.
Du bist Karrierefrau und Mutter. Wie unterstützt dich das Netzwerk dabei?
Es ist so nett, ich habe das anfangs gar nicht realisiert, aber die KollegInnen im Netzwerk schauen automatisch darauf, dass die Slots für mich nicht zu spät werden. Ich habe mir eigentlich immer gedacht, es ist schon geil spät aufzulegen, aber ich bin dann erst irgendwann draufgekommen, dass hier für mich quasi ungefragt da so nett mitgedacht wird, ohne dass ich etwas gesagt hätte. Ich habe vor kurzem mal sehr spät aufgelegt und da habe ich mir dann tatsächlich gedacht: „Ohje, wie soll ich das überhaupt schaffen.“
Hast du als DJ dazu gelernt, seitdem du dabei bist?
Ja, definitiv. Man hat sofort viele Infos und Kontakte und man bleibt am Laufenden und am Ball, weil man sieht, was die anderen machen, wo sie auflegen usw. und bekommt gleich viel Inspiration und Ideen. Ich glaube, an dem Netzwerk geht in Innsbruck schwer jemand vorbei als FLINTA*. Es ist nur positiv, ein Teil davon zu sein und man lernt wirklich nie aus..
Was glaubst du, muss sich für FLINTA* in der Clubszene und der Clubkultur ändern?
Vieles. Sehr vieles. In Innsbruck gibt es eine einzige Bookerin und die ist Teil von unserem Netzwerk. Die ganze Musik und Clubszene in Innsbruck ist extrem männlich geprägt. Wenn man dann wirklich dort hinter den Turntables steht, ist es merkbar, dass du eine Frau bist. Ich weiß nicht, ob ein Mann jemals so angeredet wird, wenn er hinter den Turntables steht. Ich finde das eigentlich untragbar. Aber ich bin so mega dankbar, dass die jüngere Generation so stark an Awareness arbeitet. Die wollen sich auch als Konsumenten wohlfühlen und fordern Sicherheit und Vielfalt auch ganz stark ein. Das ist so wohltuend für das ganze Club-Geschehen, weil es einfach nicht mehr geht, dass man Frauen so vergisst oder gleich als Blickfang einsetzt. Es geht einfach nicht. Und da braucht es für alle Beteiligten ganz einfach Bildung und ins Auge springende Awareness, weil selbst die Konsumenten verstehen teilweise nicht, wie diskriminierend sie sich verhalten. Das Awareness Thema sollte meiner Meinung nach noch stärker thematisiert sein.
Du hast kurz von der jüngeren Generation im Netzwerk gesprochen. Ist es wichtig, welcher Altersgruppe man im Netzwerk angehört?
Also ich bin in den Eighties geboren und ich glaube… Ich glaube, es ist auch ein bisschen die Provinz, die verhindert, dass jetzt die Mamas und Ehefrauen in den Club gehen und Techno auflegen. Aber ja… glücklicherweise bin ich anders gestrickt. Alle im Netzwerk sind so offen und ich habe mich da sehr willkommen gefühlt und sich mit Leuten zu connecten, die teilweise um einiges jünger sind als ich, ist easy und super nett. Ich fühle mich sehr wohl.
Dj Aufsichtsrat ist ein zielorientierter Mensch. Zu Silvester vor einem Jahr erinnerte sie sich an den Aufsichtsratsday für Frauen an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im STANDARD hatte sie gelesen, dass Frauen, die Karriere machen und Aufsichtsrat werden wollen, schon ab 20 Jahren ihre Karriere aktiv und zielorientiert pflegen sollten. Mit 20 war sie damals aber eher im Club unterwegs. Dieses Karriereziel hat sich jetzt anders verwirklicht: durch DJ Aufsichtsrat.
Was sind deine nächsten Ziele als DJ?
Ich finde Ziele sehr wichtig und essentiell, um was zu erreichen. Ich brauche und nutze Ziele auch stark im Beruf. Und ja, für mich wäre es schon mal sehr fein, in Wien in einem größeren Club aufzulegen. In dem Club, in dem ich früher immer raven gegangen bin, der Grellen Forelle, da möchte ich mal auflegen. Aber das steht in den Sternen. Ich hoffe aber und bleibe dran.
Marie aka Mmezo kam durch EAT zum Auflegen im öffentlichen Raum. Von dem Netzwerk weiß Mmezo seit seiner Gründung, Bis vor kurzem war sie allerdings noch ein bisschen zurückhaltender, was Aktivitäten im Netzwerk betrifft – ihren ersten Gig hatte sie letzten Herbst. Als „neues“ Mitglied von EAT spricht Mmezo mit Komplex über Selbstvertrauen und wie das Netzwerk sie empowert hat.
komplex: Warum bist du erst seit kurzem aktiv im Netzwerk?
Mmezo: Ich war beim ersten offenen Meeting dabei und es war dann aber mit Studium und Arbeit leider nicht so viel Raum für die Auflegerei und ich habe mich ein bisschen zurückgehalten. Ich hab mich auch ehrlich gesagt am Anfang nicht so ganz getraut, mich aktiv zu melden. Dadurch, dass ich einfach noch nicht so viele Menschen kannte, hat es ein bisschen gedauert. Aber das ging nicht von EAT aus, weil ich dort total lieb empfangen wurde und auch das erste offene Meeting war super cool. Es lag eher an den Ressourcen, die ich nicht hatte, um mich davor wirklich mehr einzubringen.
Und was ist alles so passiert, seit du dich getraut hast, deinen Hut in den Ring zu werfen?
Ich durfte für die Res Radio Show einen Mix aufnehmen und das war dann mehr oder weniger der Kick-off. Ich habe mit Elisa (DJ Äli) dann total gebondet. Wir sind uns irgendwie gegenseitig in die DMs geslidet und das hat mich dann total inspiriert zu sagen: „Komm, wenn das nächste Mal eine Bookinganfrage geteilt wird, dann sage ich auch mal: Hier bin ich.“ Und dann war das echt cool, so gings los und unter anderem bin ich auf Open Deck Abende gestoßen, durfte am feministischen Kampftag im Montagu mit dem Störbild Kollektiv spielen und jetzt im Mai darf ich bei der Biennale Innsbruck das Opening spielen. Und das ist eigentlich alles nur durch EAT und durch die tollen Vernetzungen und durch diese krasse Warmherzigkeit entstanden.
Woher denkst du, kamen deine Unsicherheiten?
Musik begleitet mich schon sehr, sehr lange und ich hatte nie das richtige Format, das nach außen zu tragen. Ich bin dann über Freunde zum Auflegen gekommen, es war dort aber nicht besonders positiv, weil es immer gleich hohe Erwartungen gab. Ich sollte mich definieren, was für Genres ich spiele, ich sollte einen Mix aufnehmen usw. Und es gab schon oft auch ein Belächeln, viel von cis Männern, die meinten: „Ne, du kannst da jetzt nicht deinen Stick einstecken.“. Ich habe auch bei verschiedenen Jobs mit verschiedenen Veranstaltungen gearbeitet, wo wir dann Feste aufgebaut haben und so. Und da wurde ich gleich in die Ecke gestellt und kategorisch ausgeschlossen, ohne gefragt zu werden, ob ich denn verkabeln kann. Und dann hat irgendeine Gruppe von Dudes aufgebaut und am Ende noch aufgelegt, im Wissen, dass da auch andere Menschen sind, die da auch Bock drauf hätten, oder das vielleicht auch können. Das hat mich dann schon verunsichert und das hat mich dann auch irgendwie einfach zweifeln lassen und ich wusste lange nicht, ob meine Unsicherheit von außen oder von innen kommt. Und dann kam EAT wirklich zum perfekten Zeitpunkt. Ich bin durch Zufall über Instagram draufgekommen und die Gründungsmitglieder, die haben mich total inspiriert, auch der politisch- feministische Ansatz hat mir sehr gefallen: Spaß und Auflegen und Wissen teilen, aber auf eine bewusste Weise, hat mich sehr, sehr empowered. Ich kann es irgendwie immer noch nicht fassen, dass ich jetzt so viel spielen und meine Musik mit Leuten teilen darf. Also das sind echt richtig, richtig tolle Menschen.
Hat sich dein soziales Umfeld verändert, seit du Teil des Netzwerks bist?
Es sind Menschen dazu gekommen, die ich sehr, sehr schätze. Eine Veränderung, die sich durch EAT auf jeden Fall bei mir getan hat, ist, dass die Wertung von anderen Personen in Bezug auf Musik und auch Auflegen noch mal reflektieren konnte. Jetzt kann ich bewusster meine eigenen Entscheidungen treffen und hab eben keine Abhängigkeiten, weil es eben so viele Menschen gibt, die ganz ohne Machtverschiebung oder irgendwelche Erwartungshaltungen sagen: “ Ich ich zeig dir gerne wie das geht“, oder: „Klar kannst du mich fragen“, und: „Komm einfach vorbei“ .Und das hat auf jeden Fall eine Veränderung, also eine totale Emanzipation, auch von vielleicht ehemaligen Freundschaften, die dann nicht so unterstützend waren, bewirkt.
Emilia aka DJ yo!hanna lebt seit zwei Jahren in Prien am Chiemsee. Hauptberuflich arbeitet sie als Ärztin in einer psychosomatischen Klinik. Mit dem Auflegen begann sie während ihrer Studienzeit in Essen, mit dem Hip-Hop DJ Duo Fifty x Fifty. Durch eine Freundin, die Schwester des Rappers Lakman, lernten Fifty x Fifty dessen DJ kennen, DJ Schänz, der den beiden viel beibrachte und sie gut vernetzte. Nach kurzer Zeit spielte das Duo als Lakmans ’Vorband‘ und das ganze Ruhrgebiet lag den beiden so gut wie zu Füßen. DJ yo!hanna blickt mit ambivalenten Gefühlen auf diese Zeit und erzählt, wie sie über die Grenzen von Tirol hinaus zu EAT gekommen ist.
komplex: Seit wann bist du Mitglied von EAT?
DJ yo!hanna: Als ich fertig war mit dem Studium war ja Pandemie und eigentlich wollte ich hauptberuflich als DJ arbeiten, aber es hatte ja alles zu und dann ging’s halt nicht. Ich habe dann eigentlich nur noch ein bisschen im Dachsbau aufgelegt, was aber auch nicht so gut vereinbar war, weil ich für meine Facharztausbildung an den Chiemsee gezogen bin. Beim Dachsbau Closing im Herbst 2023 habe ich dann DJ Mackerschreck kennengelernt, die mir vom Netzwerk erzählt hat.
Haben sich deine Erfahrungen als DJ verändert, seit du Teil des Netzwerks bist?
Ich war sehr happy EAT zu finden. Ich werde mit dem Netzwerk beim Rave gegen Rechts am 25.05. in Innsbruck auflegen. Und ich habe über EAT Marie aka Mmezo kennengelernt, mit der ich letzte Woche auch mal zusammen aufgelegt habe. Ich finde es total schön und inspirierend und ich mag es total gerne, dass man das Auflegen mit irgendwas verknüpft, wofür man steht. Ich finde es auch super inspirierend zu sehen, wie zum Beispiel Marie auflegt, die eher techno-mäßig geprägt ist, weil das einfach nochmal anders ist und man nochmal was lernt.
Du lebst ja nicht in Tirol oder in Innsbruck. Wie funktioniert das überregional für dich?
Ich wohne halt in Priem am Chiemsee. Hier ist nicht viel los und durch meine Arbeit bin ich erst mal an diesen Ort gebunden. Aber ich war bei einem Treffen dabei und habe mich so zum Beispiel mit Mmezo vernetzt, die mich jetzt auch besucht hat und das ist sehr schön.
Ist es wichtig, dass es FLINTA* Netzwerke gibt?
Die Antwort ist auf jeden Fall schon mal ja. Derzeit ist es ja noch so, dass es weniger FLINTA* Personen gibt, die auflegen, und da ist es glaube ich immer gut sich zu organisieren, weil wir als FLINTA* Personen natürlich mit anderen Herausforderungen konfrontiert sind. In einer sehr männerdominierten Domäne fühle ich mich als Frau oft unwohl. Auch wenn alle sehr lieb sind, kommt doch immer wieder mal ein dummer Spruch. Deswegen ist es schön, wenn Netzwerke Veränderungen vorantreiben. Zum Beispiel das Schreiben von Awareness Ridern, dass darauf geachtet wird, dass Clubs safer Spaces werden. Vor allem bei Hip-Hop ist das echt nicht unbedingt garantiert, deswegen finde ich das sehr wichtig. Und es ist schön, sich dann auch besprechen zu können. Auf der einen Seite finde ich es nämlich total positiv, dass ich als Frau im Booking Prozess mittlerweile manchmal fast einen Vorteil habe, weil viele mittlerweile auch gerne zeigen wollen, dass sie auch FLINTA* Personen engagieren. Aber manchmal hat man trotzdem das Gefühl, dass man halt wirklich nur für sein Aussehen gebucht wird und das ist auch wieder nicht geil. Es ist ein ambivalentes Gefühl. Es schwingt manchmal noch so ein bisschen was mit. So.. Ja ok.. das sind halt Frauen. Deswegen finde ich es oftmals leichter und angenehmer mit FLINTA* Personen zusammenzuarbeiten.
Gibt es da vielleicht Erfahrungen, die du früher in der Hip Hop Szene gemacht hast, wo so ein Netzwerk hilfreich gewesen wäre?
Wir wurden schon immer super viel gebucht und ich habe es auch wirklich immer als wertschätzend empfunden. Und gleichzeitig war die Abwesenheit von anderen FLINTA* Personen einfach schade. Es waren immer männliche Kollegen, die überwiegend sehr progressiv und offen waren, zum Teil sehr süß und fördernd und wirklich positiv. Aber alleine, dass du kaum Frauen hattest, das macht ja was mit der Stimmung.
Wir haben ja tatsächlich damals auch in gewisser Weise positiv von Mansplaining profitiert am Anfang. Irgendwann war es allerdings nur noch nervig.
Warum glaubst du, dass es so eine Ambivalenz für dich in dieser Hinsicht gibt?
Also zum Beispiel ganz am Anfang haben wir uns mal mit zwei Typen getroffen und dann haben die sich an uns herangemacht und es war ein Alptraum. Wären wir männlich gewesen, wären wir weniger erfolgreich gewesen, das finde ich schon witzig. Ist ja auch gut, wenn man mal positive Aspekte von Sexismus abbekommt. Natürlich kann und soll man das auch kritisch hinterfragen, aber für mich hat es irgendwie auch ein bisschen was gut gemacht, dass man bei der ganzen Scheiße irgendwie auch einfach mal davon profitiert war schön. Gleichzeitig gehen damit dann natürlich auch wieder Aussagen einher wie: „Ach so, die werden ja eh gebucht, weil sie Frauen sind.“ – Das ist dann wieder nervig. Eine der nervigsten Begegnungen, die ich je hatte, war einfach ein Typ, der aus dem Publikum zu mir kam und meinte: „Boah, noch nie habe ich eine Frau erlebt, die einen so guten Musikgeschmack hat! Hier, Cheers!“ Es gibt für mich nichts Schöneres, als FLINTA* Personen zu sehen, die sich repräsentiert fühlen, die happy sind und die mitsingen. Und das habe ich auch oft, dass dann eben FLINTA Personen zu mir sagen: „Schön, dass du auflegst“. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund für meine Ambivalenz, weil es ist einfach noch die Ausnahme, das FLINTA* Personen auflegen. Das bringt wahrscheinlich mit sich, dass ich manchmal leichter Gigs bekomme. Das bringt aber auch mit sich, dass es irgendwie auffällt, das bringt mit sich, dass Leute sagen: „Die kriegt ihren Gig wahrscheinlich nur, weil sie eine Frau ist“. Da kann ja sogar was dran sein. Auf jeden Fall steht fest, je mehr FLINTA* Personen auflegen, desto besser.
Wie Viele FLINTA* DJS werden zurzeit eigentlich gebucht? BC-A verweist hier auf die FACTS Survey von female:pressure, einem feministischen Netzwerk für FLINTA* in der elektronischen Musikszene. Gegründet von Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo, listet diese transnationale Datenbank schon seit 1998 FLINTA* Künstlerinnen in der elektronischen Musikszene auf. Seit 2013 erscheinen alle zwei Jahre im März Zahlen, die von Freiwilligen zu Festival Lineups auf der ganzen Welt zusammengetragen werden. Während 2013 nur 9,2% der Bookings auf großen Festivals FLINTA* waren, zeigen die Zahlen zehn Jahre später einen Anstieg von 29,8%. Was man hier deutlich sieht, ist, dass die Geschlechter sich langsam aber sicher ein wenig gleichmäßiger verteilen. Was jedoch auch klar wird: Je größer die Festivalbühnen, desto männlicher ist das Lineup. Je kleiner und DIY, desto diverser sind die Bookings. Die größte Reichweite wird also weiterhin fast ausschließlich Männern zuteil. Die Datenbank von female:pressure ist seit ihrer Entstehung vor 25 Jahren öffentlich zugänglich. Genug FLINTA*, die man buchen könnte, gab es schon damals.

| Maya Auer
Kommende EAT-Veranstaltungen:
25.4.2024: EAT #10 w/ ISSA & Frutti di Marie @ Res Radio
26.4.2024: EAT @ Kater Noster
2.5.2024: Mmezo @ Innsbruck International Opening
25.5.2024: Rave gegen Rechts
Sets von DJ Aufsichtsrat, Mmezo, BC-A und vielen weiteren Mitgliedern des Netzwerks im Zuge des monatlichen res.radio Hostings:
