In den Arbeiten von Matthias Krinzinger und Tim Mathiesen stehen sich Unbekannte gegenüber: Gesten der Drohung und des Wohlwollens spiegeln und bedingen einander. Zu sehen in komPOST #33.
Vielen Dank für die Blumen
Matthias Krinzinger, 2015-2023



Du lebst still
Tim Mathiesen, 2024
Du kannst einem Fremden eine Waffe in die Hand drücken, dich in kurzer Distanz vor ihm aufbauen und du wärst mit jedem Ergebnis, jedem Ausgang dieser Situation, jedem kausalen Zusammenhang zufrieden. Jede Variable der Gleichung ist am richtigen Platz, das Ergebnis korrekt. Die Fantasie liefe wild, wie Glasfaser, Synapsen in alle Richtungen. Die Realität bliebe nur im Reich des Erwartbaren, unruhig, unschlüssig, doch schlussendlich konsequent. Schießen? Nicht schießen? Akt oder Resignation?
Streifschuss? Fleischwunden reißen, in die Gedärme, Knie oder Kopf? Keine Kugel, eine Kugel oder das ganze Magazin? Gerade oder ungerade Anzahl?
(:Dabei sind Kugeln schon lange nicht mehr kugelförmig).
Wie auch immer es ausgeht: Erfahrbar ist alles, an Orten, wo alles passiert. Welche Orte sind das? Zwischen den Schläfen, jederzeit, in jeder Wahrscheinlichkeit. und ja, du denkst hiermit an den Tod. Denkst ans Sterben. Ein fader Gedanke, salzloses Brot. Ganz und gar wertfrei. Bist du zu nah dran oder zu weit weg? Hättest du bereits abgeschlossen oder hieltest du es noch für einen Traum? Zielt der Fremde bereits auf dich oder läge die Waffe verlassen auf dem Boden? Schielst du bruchsekündig, wenn die Kugel genau zwischen deine Augen einschlagen würde?
Keine Zeichenwechsel mit dem Fremden, doch wärst du der Gegenstand auf den reagiert werden will. Stehst dort an dieser Stelle, vor ihm, wartend, denkst nichts und der Fremde, egal wie er reagiert, er würde die ehrlichste und aufrichtigste Reaktion vollziehen, die er je gezeigt hat. Sei es, dass er wegrennt, dich völlig zerschießt oder ungläubig sich selbst liebt, sich selbst die Kugel gibt. Er ist du und du bist der Fremde.
(Hasst du den Fremden, hasst du dich auch.)
Somit wärst du ein zweidimensionaler Raum, ein Bild, das von dem Fremden interpretiert werden würde. Und du, als das Bild, hast bereits alles gesagt, indem du an ihn die Waffe weitergibst. Der Fremde würde vielleicht wüst seine Gedanken, Emotionen ordnen, weinen, zittern, schwitzen – nicht zögern. Drohe er sich selbst mit Konsequenzen? Überredet er sich selbst? Beides gleichzeitig? Sei alles nur ein Traum? Fiebrige Horrorshow?
Gelegenheit ist alles und dein Blut hinter der Haut nur imaginär. Das Fleisch hängt fest am Knochen. Du schiebst das Fleisch vorbei zur Seite, indem du lächelst. Spürst die Schwerkraft, die die Flüsse abwärts fließen lässt. Fühle du dich frei? Wenn du nicht mehr bist als eine philosophische Einheit?
Kalter Stahl, du denkst nic
hts.

Matthias Krinzinger, Vielen Dank für die Blumen, 2015-2023
BIOS
Matthias Krinzinger
geboren 1982 in Innsbruck, studierte Bildhauerei und Medienkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Neben Ausstellungsteilnahmen im In- und Ausland, leitet und organisiert er auch selbst Ausstellungen.
„… Charakteristisch für Krinzingers Arbeit sind der Einsatz vertrauter Gebrauchsgegenstände sowie die Inszenierung alltäglicher Situationen, die durch subtile Verschiebungen und Transformationen verfremdet werden, womit der Künstler die Wahrnehmungsgewohnheiten der RezipientInnen oftmals ironisch zu unterwandern vermag. …“ – Véronique Abpurg
tumblr / vimeo / @bragolinproject
Tim Mathiesen
02.09.1991 / 32 /
Köln / geboren und aufgewachsen
Einfluss: Rolf Dieter Brinkmann, Helmut Heißenbüttel, Jaques Lacan, Georges Perec, diverse philosophische Schriften, Chat Pile, Billy Woods etc.
Seit 2023 erste Veröffentlichungen in Independent- und Online Literaturzeitschriften und Lesungen (Auflistung: weiter unten).
Besonderer Fokus liegt auf Momentaufnahmen und Skizzen der Gegenwart in Wahrnehmung und Empfindung, in Formen des prosaischen und experimentellen Schreibens. Aktuell Arbeit an einem Romanprojekt.
