kultur:los | Graffiti Jams, Gipfelkonzerte und ein Woodlight Festival – AKW Schwaz als Plattform für junge Kultur

*Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Reihe „kultur:los“ über Bedingungen, Chancen und Herausforderung der Kulturarbeit in den ländlichen Tiroler Regionen. Gefördert wird die Reihe von kulturimpulstirol.

Vom Bahnhof der Stadtgemeinde Schwaz sind es nur fünf Minuten Fußweg zur Unterführung nach Vomp, wo ich mich mit Bob Veltman treffe. Dort findet gerade ein „Graffiti Jam“ statt, den der Künstler gemeinsam mit dem Verein AKW – Alternative Kulturwerkstatt Schwaz organisiert. Neben einer Baustelle sehe ich bereits einen Steher, auf dem „ACHTUNG !!! Malerarbeiten“ geschrieben steht – da bin ich wohl am richtigen Weg –, was ein paar Schritte weiter der Hip-Hop Sound bestätigt, der aus irgendwelchen Lautsprechern zu hören ist.

Graffiti-Jam des AKW in Schwaz | Foto: Bob Veltman

An mir vorbei huschen Personen mit Spraydosen in der Hand, gleich erkenne ich darunter auch Lilee Imperator (die ich erst vor ein paar Monaten fürs komplex interviewt hatte – zum Beitrag). Sie macht sich gerade auf die Suche nach ihrem freien Stück Wand: „Ich habe noch kein Konzept für mein Bild“, lacht die Künstlerin, die sich bereits auf den improvisatorischen Prozess freut: „Nach den vielen Auftragsarbeiten bin ich froh, wenn ich zwischendurch mal wieder frei malen kann“. Ich drehe mich um und komme mit einem weiteren Künstler ins Gespräch, dessen Namen ich schon öfters auf Wänden gelesen hatte, aber dessen Gesicht mir bis dato (wie in der Graffiti Szene so üblich) noch unbekannt war – Crazy Mister Sketch. Wie Lilee Imperator kann er bereits von seiner Street Art leben und hat auch selbst schon die ein oder anderen Graffiti Jams organisiert, etwa in der ehemaligen Schule in Neustift, die einst vom Verein eigentlich Kultur bespielt wurde (auch dazu gibt es bereits einen Beitrag von uns).

Es ist der zweite Tag des dreitägigen Graffiti Jams, in dessen Rahmen am Abend auch eine Freestyle-Rap Show von Eazzy All in der Schwazer Ullis-Bar stattfinden wird. Bis morgen sollten alle Künstler:innen ihre Werke fertig gemalt haben „Das ist erst die Einweihungsfeier dieser Wand“, sagt Bob, „danach steht sie der Öffentlichkeit als legale Fläche für Tags, Graffitis und Murals zur Verfügung – und ist somit wohl auch die einzige legale Fläche im Bezirk Schwaz, auf der öffentlich frei gemalt werden darf.“ Dass ihre Werke nicht überdauern werden, ist den Street Artists bewusst, in der Szene gehört es dazu, dass über ihre Bilder geschrieben, geschmiert und gemalt wird.

Bob erzählt, dass dieser Jam an eben diesem Ort bereits zum zweiten Mal stattfindet. Erstmals hatte der AKW Verein die Gestaltung vor ungefähr zehn Jahren übernommen. „Jetzt ist die Stadt Schwaz aktiv auf uns zugekommen und hat uns gefragt, ob wir das noch einmal veranstalten wollen“, so der Projektleiter, der das sehr positiv aufgenommen hat: „Es zeigt, dass wir von der Stadt gesehen und geschätzt werden.“ Auch die Passant:innen reagieren überwiegend positiv: „Die Leute kommentieren beim Vorbeigehen oft mit einem schian machts des“ wie Bob beobachtet.

Wandbild von Lilee Imperator | Foto: Bob Veltman

Von den anfänglichen Visionen zu großen Plänen 

Der AKW wurde 2015 von kulturinteressierten Schwazer:innen gegründet, um ein alternatives Kulturangebot in ihrer Region zu schaffen. Vorstandsmitglied Sabine Kumetz erinnert sich an die Anfänge: „Philipp Wastian und der Freundeskreis, der den Verein gegründet hat, waren alle im Ullis unterwegs. Für mich war klar, dass ich auch dazugehen werde – beim Gründungsevent in der Eremitage war fast jeder dabei, den ich gekannt habe.“ Sandro Brand ist seit 2018 Mitglied und seit 2020 Vereinsobmann: „Ich bin durch Freunde, die schon dabei waren, zum Verein gekommen, und das erste Woodlight Festival hat mich sofort begeistert. So etwas wollte ich immer schon in Schwaz machen. Also habe ich mich gleich angeschlossen.“ Sandro selbst war immer schon ein „Vereinsmensch“:

„Ich bin ganz konträr mit Tiroler Traditionsvereinen aufgewachsen, bei den Schützen und anderen Brauchtumsgruppen. Gleichzeitig hat mich aber auch immer die alternative Sphäre der Kultur interessiert“.

Der AKW Verein beim Woodlight | Foto: Maria Knoll

Ein besonderes Anliegen des Vereins war von Anfang an, ein Angebot für Jugendliche zu schaffen. „In Schwaz gab es damals für Jugendliche so etwas nicht,“ betont Sabine. „Es gibt etablierte Kulturangebote wie das Outreach Music Festival oder Klangspuren Schwaz, aber die sprechen oft ein älteres Publikum an. Wir wollten etwas machen, das die Jugend interessiert – wie das Woodlight Festival.“ Dieses Festival, das mittlerweile im Zweijahresrhythmus im Schwazer Pflanzgarten stattfindet, hat sich zu einer festen Größe im Bezirk entwickelt. „Ich finde das Woodlight toll, weil wir es schon immer ein Jahr voraus planen und so viele Leute zusammenhelfen,“ sagt Sabine.

„Ich bin während des Festivals meistens gestresst, wir sind viel beim Herumlaufen und Organisieren, aber es gibt dann immer den Moment, wo ich da stehe und staune, wenn ich sehe, dass es den Leuten so gefällt und mir denke – wow, beeindruckend, was wir da geschaffen haben.“

Die Hemmschwelle wird bei den Veranstaltungen des AKW versucht, so gering wie möglich zu halten. „Wir wollen Eintrittspreise erschwinglich machen oder sie wenn möglich ganz weglassen, wie bei den Freiluftkinos, die wir im Sommer organisieren. Das wird von der Bevölkerung ganz gut angenommen,“ erzählt Sandro. Als besonderes Event nennt er das Gipfelkonzert am Kellerjoch, dem Schwazer Hausberg, das der Verein bereits zweimal veranstaltet hat: „Das erste Mal war es ein rein akustisches Event. Letztes Jahr haben wir dann sogar ein kleines Stromaggregat hinaufgeschleppt, um Max Dornauer alias ‚Waxamilion‘ zu hosten, der für seinen bärigen Sound eine E-Gitarre braucht. Es war logistisch ein bisschen aufwändig, aber hat sich voll gelohnt.“

Gipfelkonzert mit Waxamilion | Foto: Florian Knapp

Von Stolpersteinen, die dem Enthusiasmus nicht im Weg stehen  

Wie viele Kulturinitiativen in ländlichen Regionen kämpft auch der AKW mit Herausforderungen wie Anerkennung, Finanzierung und Bürokratie. „Vor allem am Anfang wurden wir als junger alternativer Kulturverein von der Stadt oft belächelt“, erzählt der Obmann. „Inzwischen hat sich das gebessert, vor allem, weil Schwaz erkannt hat, dass wir einen Mehrwert für die Region schaffen.“ Trotzdem bleibt die finanzielle Unterstützung knapp. Der Verein arbeitet rein ehrenamtlich und kann nur auf kleinere Förderungen von Stadt und Tourismusverband zurückgreifen. „Wir haben immer wieder versucht, größere Fördertöpfe anzuzapfen, aber es bleibt ein Kampf.“ Bob, der auch seit Gründung dabei ist, teilt diese Sichtweise: „Es fehlt im ländlichen Raum oft an Anerkennung für Subkulturprojekte und für Leute, die abseits der großen Städte kulturell aktiv sind. Aber wir machen weiter, weil wir glauben, dass solche Projekte auch in den Regionen wichtig sind.“

Der AKW versteht sich nicht nur als lokaler Kulturverein, sondern als Teil eines größeren Netzwerks. In den letzten Jahren gab es Kooperationen mit anderen Kulturinitiativen wie dem Kulturverein Grammophon in Wattens oder dem Musik-Video-Festival „Die goldene Schindel“ von Legends of Rock. Dass sich über die Jahre eine eigene Szene entwickelt hat, zeigt, wie groß die Nachfrage nach alternativen Kulturprojekten in der Region ist. „Es fehlen einfach Räume und Plattformen für diese Form von Kulturarbeit“, sagt Sandro. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir sie schaffen – und dass wir dabei unterstützt werden.“

Das Woodlight Festival im Schwazer Pflanzgarten Foto: Maria Knoll

Trotz der Herausforderungen wird der AKW Schwaz an seiner Mission festhalten: alternative Kultur in Schwaz zu fördern und niedrigschwellige Angebote. zu schaffen „Das Woodlight soll zu einer festen Marke in Tirol werden. Wir wollen, dass die Leute wissen, wann es stattfindet, und gezielt kommen, weil sie wissen, dass es ein lässiges Festival ist.“

Und auch wenn die Förderungen knapp sind und die Bürokratie oft im Weg steht, bleibt der Enthusiasmus spürbar: „Es ist einfach schön zu sehen, dass so viele Leute bereit sind, ihre Freizeit zu opfern, um kulturell etwas zu bewegen. Das motiviert uns jedes Jahr aufs Neue“, so der stolze Obmann. Grund zum Feiern hat der Verein AKW im kommenden Jahr jedenfalls genug: „Nächstes Jahr haben wir schon 10-jähriges Jubiläum – und wir, die schon seit zehn Jahren dabei sind, werden auch älter. Es wäre schön, wenn wieder mehr junge Leute zum Verein kommen würden“, wünscht sich Sabine für die Zukunft des AKW. 

| Brigitte Egger 


@akw_schwaz

woodlight.akw.tirol

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