Von der Einheit zur Vielfalt – HNRX über sein Projekt „Keinheitsbraun“

Was macht den Menschen aus? Wodurch werden wir geprägt, wovon unsere Gedanken beeinflusst? Neben anderen Aspekten ist dafür gewiss auch der Ort, an dem wir die meiste Zeit verbringen, mit dem wir uns vielleicht sogar identifizieren, von großer Bedeutung. Umgeben wir uns mit Vielfalt, hat auch unser Kopf mehr Raum für vielfältiges Denken. Nicht zuletzt die Kunst ist hier ein entscheidender Faktor, denn wer, wenn nicht sie, schafft Platz für Mannigfaltigkeit, Diversität und Verschiedenartigkeit? 

Buntheit ist auch dem Künstler HNRX ein großes Anliegen. Er verknüpft als urban artist seit vielen Jahren Elemente aus Grafik, Design und aus der bildenden Kunst. Auf seinen Bildern entdecken wir meist uns bekannte Gegenstände in verfremdeter Form. Vor allem haben sie aber einen starken Wiedererkennungswert, weil sie alle eine gemeinsame Sprache sprechen. 

Nun hat er ein neues Projekt ins Innsbrucker Leben gerufen und es ganz im Sinne seines Wunsches nach mehr Buntheit „Keinheitsbraun“ getauft. Was es damit auf sich hat und warum es insbesondere für die Viaduktbögen in Innsbruck von so großer Bedeutung ist, erzählt er dem komplex in einem Interview.

HNRX bei der Gestaltung der Innsbrucker Bögen | Foto: Manuel Kokseder

komplex: Du hast nun das Projekt „Keinheitsbraun“ gestartet – dabei widmest du dich gestalterisch den Bögen in Innsbruck. Die Weichen dafür wurden aber schon früher gestellt, oder? 

HNRX: Ja genau, den ersten Bogen habe ich 2015 gestaltet und 2022 überarbeitet. Das war der Bogen 34, das ist ein sehr spezieller Bogen, was man schon am Architekturgrundriss sieht. Da war ursprünglich kein Lokal drin, sondern eine Abzweigung der Sill. Das war aber nicht wirklich Teil des Projekts, sondern ich fand es einfach damals schon spannend, die Bögen zu bemalen, da sie für mich voller Jugenderinnerungen sind. 

Was reizt dich darüber hinaus an der Bemalung der Bogenmeile? 

Einerseits gibt es dort viele subkulturell relevante Lokale. Andererseits weiß ich, dass meine Arbeit dort mit wenig Bürokratie verbunden ist, da die jeweiligen Eigentümer*innen selbst entscheiden können, ob sie einverstanden sind. Es gibt außerdem viele Flächen und die Chance, dass es zu einer Umsetzung kommt ist relativ hoch, auch deswegen arbeite ich gern an diesem Ort. 

Viele Menschen mit unterschiedlichsten Interessen konnten früher für wenig Miete ein Lokal eröffnen oder eine Autovermietung oder was auch immer, dadurch ist es sehr bunt durchmischt in den Bögen. Das finde ich sehr wichtig für einen Stadtkern. 

Zudem wird bei der Renovierung der Bögen durch die ÖBB aus wirtschaftlichen Gründen eine bestimmte Stahlart vorausgesetzt. Dieser Roststahl kann nicht weiterverarbeitet werden, dadurch sehen irgendwann – wenn neue Pächter*innen die Lokale usw. übernehmen werden – alle Bögen gleich aus. Einheitsbraun also. 

Was ist dein Ziel mit diesem Projekt? 

Das Thema anzusprechen, Aufmerksamkeit zu schaffen, vielleicht auch andere Menschen dazu zu bringen, Initiative zu ergreifen. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Bogenmeile sich weiterentwickelt, ja, aber als bunte und vielfältige Straße. 

HNRX bei der Gestaltung der Innsbrucker Bögen | Foto: Manuel Kokseder

Worin liegt die größte Herausforderung bei der Bemalung der Bögen für dich? 

Eine Herausforderung ist sicher, dass es so viele unterschiedliche Bedingungen gibt, zum Beispiel gibt es mal Fensterausschnitte und mal keine, zudem herrschen auch große Materialunterschiede – bei dem „A Casa“- Bogen hatte ich zum Beispiel fünf verschiedene Materialien: Metall, Lochblech, Höttinger Breccie, verputzte Wand und Ziegel. Das find ich sehr spannend. 

Was stellt deine Kunst dar? Hat sie einen rein ästhetischen Wert oder gibt es eine dahinterliegende Bedeutung für dich? 

Mir geht es viel um Form- und Farbspiel und Komposition. Meine Bilder beginnen immer als Zeichnung im Skizzenbuch, dann digitalisiere ich sie und dann spiele ich damit herum. Ich skaliere, mach kleiner, kombiniere, ändere Farben usw., bis irgendwann eine Komposition herauskommt, die für mich etwas Neues darstellt. 

Gibt es also keinerlei politische Aussage, die hinter deinen Werken steht? 

In gewisser Weise ist das schon politisch, weil es offenbar viele Leute sowohl positiv als auch negativ berührt. Manche finden es banal und ärgern sich richtig darüber. Das finde ich interessant, weil es zeigt, dass Menschen bestimmte Erwartungen an Kunst stellen. Inwiefern nimmt die Gesellschaft welche Entwicklung an? Warum stößt das manche Menschen vor den Kopf? 

Warum sind es immer Alltagsgegenstände, die du darstellst? 

Weil uns Alltagsgegenstände ununterbrochen umgeben. Und es gibt viele, die ich als ästhetisch empfinde und mit denen ich gut spielen kann, die sich gut vereinfachen oder verformen lassen. Meine Zeichnungen sind ja nicht fotorealistisch, ich abstrahiere gerne. Und das sind mittlerweile  automatisierte Prozesse – wenn ich etwas sehe, das mich reizt, nehme ich das gleich mit auf in mein Portfolio. 

In deinem Konzept steht, für städtische Architektur sei es deiner Meinung nach wichtig, wiedererkennbare und charakteristische Ästhetiken zu entwickeln. Warum müssen die wiedererkennbar sein? 

Für mich ist Spannung das Wichtigste. Individuelles Design einer Stadt ist interessant für die Leute, die sich in dieser Stadt bewegen. Epochen erkennt man ja auch daran, dass eine gemeinsame Sprache gesprochen wird in der Kultur. Meine Arbeit soll auch ein Gesamtkonzept sein, auch wenn es sich über die Jahre verändert. 

Inwiefern hat sie sich denn verändert? 

Jedes Bild ist eine Veränderung und ein Fortschritt. Grundsätzlich würde ich sagen, dass sich die Bilder vor allem stark vereinfacht haben und viel grafischer geworden sind. Früher war es wichtiger für mich, realistischer zu malen, Effekte waren mir wichtig. Jetzt hab ich besser verstanden, was die Essenz meiner Kunst ist. 

Hat sich somit auch deine grundsätzliche Vorstellung von Kunst über die Jahre verändert? 

Kunst ist ein großes Wort. In der Malerei ist für mich mittlerweile relevant, auf den Punkt zu kommen. Das ist ein lebenslanger Prozess, aber ich werde besser darin. Und die Art und Weise, wie ich auf diesen Punkt komme, hat sich verändert. Früher hat mich anderes begeistert als jetzt mit Anfang 30. Früher war es für mich interessanter, große Sachen zu malen. Heute spielt Größe für mich keine Rolle mehr, ich finde es spannender, besondere architektonische Verhältnisse zu haben, wie eben bei den Bögen; die Ausbuchtung bei den Fenstern fordert mich künstlerisch sehr und obwohl das eine relativ kleine Fläche ist, reicht mir das völlig aus. 

HNRX bei der Gestaltung der Innsbrucker Bögen | Foto: Manuel Kokseder

In deinem Konzept schreibst du außerdem, du möchtest in dein Projekt die  partizipative Einbindung der lokalen Bevölkerung inkludieren. Was kann man sich darunter konkret vorstellen? 

Mein Ziel wäre, nächstes Jahr einen der zwei Bögen, die ich gestalten werde, mit externen Menschen zusammen zu machen – vielleicht mit einer Organisation, die mit Jugendlichen oder mit Menschen mit Behinderung arbeitet zum Beispiel. Ich möchte, dass Menschen ein Sprachrohr bekommen, die sonst vielleicht zu selten eine Möglichkeit bekommen, sich mitzuteilen. Sie müssen den Bogen nicht unbedingt komplett selber gestalten, aber eine Möglichkeit zu bekommen, sie einzubeziehen, wäre sicher spannend. 

Und das ist ja auch der Inbegriff von „Keinheitsbraun“: 

Ich möchte die Bögen bunt machen, nicht nur im visuellen Sinne, sondern auch im gesellschaftlichen. Ich will mehr Leute miteinbeziehen, nicht nur Künstler*innen. Je bunter desto besser! 

Du hast kürzlich das Kulturehrenzeichen der Stadt Innsbruck verliehen bekommen. Was denkst du über diese Auszeichnung?

Ich habe mich natürlich sehr gefreut; es ist ein Zeichen der Stadt, dass unsere Kunstform ernst genommen wird und, dass meine Arbeit im urbanen Raum von der Stadt angenommen wird. Wenn man sich vor Augen hält, wie diese Kunstform vor über 50 Jahren gestartet hat, ist das eine tolle Entwicklung. 

Umso mehr eine solche Auszeichnung in so jungen Jahren zu bekommen, da muss ich jetzt nochmal ordentlich nachliefern! (lacht) 

| Sarah Caliciotti

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