Seit 5. Juli (und noch bis 12. Oktober 2025) ist das Kapitel II „Bindung & communion“ der Gruppenausstellung „Trilogie der Töchter“ in der Taxipalais-Kunsthalle Tirol zu sehen. Als Gegenposition zu den „patriarchal-kapitalistischen Söhnen“, deren Ausprägungen etwa in rücksichtlosen Autokraten wie Donald Trump oder Benjamin Netanjahu zu finden sind, steht die Figur der Tochter hier symbolhaft für Gemeinschaft und Bindung – ein Thema, das sich in den Arbeiten von fünf Künstlerinnen und Künstlern auf universelle Weise manifestiert.

„Was ist ein Unterdrücker?“, fragt ein Mädchen auf Spanisch seine Großmutter, die gegenüber von ihren Enkelinnen sitzt und zuhört, wie die Kinder abwechselnd aus Karl Marx Manifest der Kommunistischen Partei lesen. „Eine Person, die andere kontrolliert.“, sagt die Oma und erklärt Konzepte wie Bourgeoise, Revolution und Kommunismus. In dem Video aus dem Jahr 2012 filmte die Künstlerin Gabriela Golder ihre eigene Mutter, die als Mitglied der Kommunistischen Partei Argentiniens im Widerstand gegen die Militärdiktatur aktiv war und nun das Wissen zum Klassenkampf für ihre Enkelinnen aufbereitet.

An der roten Wand, die zum Video mit den lesenden Mädchen führt, hängen abstrakte in Grün, Blau und Orange getauchte Werke der Künstlerin Kirtika Kain, die auf ganz andere und sehr sinnliche Weise von der Verbindung zu ihrer Identität als Dalit und der indischen Diaspora erzählen. Die Bilder sind an den Rändern ausgefranst, mit Gerstenkörnern, Kupfer, Gold und Teer versetzt oder von Sackleinen umrahmt und zeigen in mehreren Schichten, wie Farben und Materialien zueinander wirken.

Auch Francis Offman erforscht in seinen Werken eigene Erfahrungen der Migration in der Kindheit und verbindet Kaffeesatz und Mullbinden mit altmeisterlichen Verfahren auf der Leinwand. Ähnlich wie Offman, der hauptsächlich auf gefundene oder ihm überlassene Materialien zurückgreift, verwendet Areez Katki für seine gestickte Zeichnungen Stoffreste seines Familienschneiders aus der Parsen Community. Mit Fäden auf ein Gerüst gespannt hängen die Bilder frei und durchlässig im Raum und verweisen mit kleinen bunten Elementen symbolhaft auf zusammenhängende Geschichten. Die gestickten Zeichnungen sollen kritisch Traditionen hinterfragen, seien aber auch eine Hommage an seine zoroastrische Kindheit.

Im zweiten Teil der „Trilogie der Töchter“ legt die Taxispalais Kunsthalle Tirol den Fokus auf „Bindung & Communion“ und öffnet dabei auch den Blick dafür, wie kollektive Diskriminierung und Ausbeutung künstlerisch verarbeitet werden kann. Mit der Ausstellungsreihe hat Kuratorin Nina Tabassomi auf die im Jahr 2022 beginnenden Proteste gegen die autoritäre Regierung im Iran reagiert und mit „der Tochter“ eine revolutionäre Figur geschaffen, die nicht biologisch gedacht, sondern als Gegenposition – als „Nicht-Sohn“ – betrachtet werden soll. Tabassomis Figur der Tochter sei eine, „die sich ihrer Bindungen bewusst ist“ und „bereit sei, für das Geliebte durch Kampf, Konflikt und Schmerz zu gehen“ wodurch aus der Individualität eine Gemeinschaft entstehe.
Während das erste Kapitel der Töchter-Trilogie (17. Mai bis 18. August 2024) das Matriarchat beleuchtete, sind es diesmal soziale Gefüge, familiäre Beziehungen, aber auch die Zugehörigkeiten zu politischen Strukturen und Ländern, die auf künstlerische und abstrakte Weise illustriert werden. Die Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler sind stark von einem universellen Ansatz geprägt, der sich mit der eigenen Herkunft und Identität auseinandersetzt und sich teils auf Erfahrungen von Unterdrückung und Konflikten bezieht.

Die Bedeutungen der einzelnen Werke lassen sich ohne Hintergrundwissen nur erahnen, bei Assaf Grubers Kurzfilm „Miraculous Accident‘“ werden die Bezüge zum Ausstellungstitel „Bindung & communion“ deutlicher. Anhand einer Liebesgeschichte zeigt Gruber in verschiedenen zeitlichen Ebenen, wie persönliche Verbindungen durch politische Situationen verhindert werden. „Miraculous Accident“ ist zum Teil vom Leben des ehemaligen marokkanischen Studenten, Dichters und Filmemachers Abdelkader Lagtaâ inspiriert, der im Film auch die Rolle des Nadir spielt. Die Handlung wird mit Originalaufnahmen und Ausschnitten aus Studentenfilmen der 1960er Jahre von Lagtaâ und seinen Kommilitonen ergänzt. Es ist eine Geschichte des Rückblicks, die sachte und poetisch auf langsame Weise die emotionale Kraft zwischenmenschlicher Bindungen beschreibt.
| Sieglinde Wöhrer
