…man vertausche zwei Buchstaben und schon ist es um ein neues Festivalformat geschehen – so ist es jedenfalls der in Wattens ansässige Kulturverein Grammophon angegangen, welcher sich von einer Ära des in Tirol bereits etablierten Wiesenrock-Festivals verabschiedete und 2019 ein drei-tägiges Fest mit neuem Konzept auf die Füße stellte. Dieses ging letztes Wochenende über die Bühnen bzw. Dorfplätze und wir vom komplex waren dabei.
Wattens, der Ort des bunten Treibens, wurde dabei nicht ausgewechselt – ganz im Gegenteil: Das Riesenwok setzt nun vielmehr das Dorf(geschehen) in den Mittelpunkt und lockt dazu auch noch die „Einheimischen“ aus ihren Häusern, um mal wieder unter die Leute zu gehen und den einzelnen Programmpunkten beizuwohnen.
Was das Riesenwok zu bieten hatte?
Das Programm war ganz vielseitig und reichte tatsächlich vom gemeinsamen Frühstück bis zum Feiern nach dem Abendessen, dementsprechend blieb das Riesenwok auch seinem kulinarisch anklingenden Namen treu. Bei der Gestaltung des Programms haben die Leute von Grammophon auch an Besucher*innen aller Generationen gedacht und diese teilweise sogar aktiv in die Programmpunkte eingebunden: Kleidertausch, Kinderküche, Banklbucheinträge, Lesung, Straßenfest, Musik und, und, und.
Die ersten zwei Tage spielten sich direkt im Dorfzentrum ab, wo sich der Musikpavillon – das sogenannte „Vogelnest“ – zum Schau- und Treffplatz verwandelte. Wir haben uns schließlich das Nachmittagsprogramm des dritten Tages angesehen, welches mit einem Straßenfest in der Werkstätte Wattens den krönenden Abschluss darstellte.
Dort fühlte man sich fast wie in einem Freiluft-Wohnzimmer: Die Straßenecke war liebevoll dekoriert mit Wohnzimmerlampen, genähten Girlanden, die zwischen den Häuserfassaden angebracht wurden, Patchwork-Sitzsäcken und bunten Parkbänken, kleinen Fensterläden, aus denen die Gäste ihre Getränke und Schmankerln bestellten und auf der anderen Straßenseite befand sich ein kleines Cafe, in dieses man sich für einen Kaffeetratsch zurückziehen konnte.
Doch wir hielten uns lieber direkt vor der Bühne auf, um die musikalischen Acts nicht zu verpassen. Diese waren wiederum so ausgewählt, dass für jeden Geschmack bestimmt etwas dabei war: Eingeleitet wurde das Ganze mit dem „Jodelduo“ Eugen und Marion Haas, die aber standen nicht auf der Bühne, sondern spazierten gemütlich durch die Straße, wo sie singend und jodelnd direkt in Kontakt mit den Besucher*innen traten. Die kleine, aber feine Open-Air-Bühne wurde im Anschluss von Jesse eröffnet, der seinen Hit „Zuggersiaß“ erstmals live und mit Band vor Publikum präsentierte. Um diesen Moment nicht zu verpassen, sind gar die ein oder anderen Fans aus dem Tiroler Oberland angereist – und es hat sich, der heiteren Stimmung im Publikum zufolge, wohl gelohnt. Als Zugabe gab es von ihm sogar noch ein Gedicht zu hören, wie wir es von seinen Lesungen bei den komplex-Release-Feiern gewohnt sind.
Weiter ging es mit rockigerem Sound und psychedelischen Gitarrenriffs der in Wattens heimischen Band Electric Super Wolves. Hip-Hop-Fans kamen dann bei Spilif ganz auf ihre Kosten, die die Stage mit abwechselnden Gästen belebte und das Publikum ordentlich zum Tanzen animierte. Für das abschließende Skischuh Tennis Orchestra war vor lauter Musiker und Instrumente nicht nur die Bühne fast zu klein, sondern auch die Fest-Straße, die sich zunehmend mit Menschen füllte und deren dekorative Beleuchtung eine Abendstimmung hervorbrachte, wie wir sie aus Bilderbüchern in Erinnerung haben.

Skischuh Tennis Orchestra | Foto: Verena Nagl
Und wie ist das Ganze nun beim Publikum angekommen? – komplex hat sich bei den Besucher*innen umgehört:
Wart ihr bei allen Programmpunkten des Riesenwok dabei? – Ja, bei fast allen. Was waren eure persönlichen Highlights? – Also mir hat die von der Bäckerei gehostete Open-Mic-Session sehr gut gefallen, die funktioniert immer gut, und vor allem hat Baiba [die Moderatorin] genau den richtigen Charme für so etwas! Und dir? – Der ganze Donnerstag-Abend war sehr fein und gemütlich, einfach eine tolle Stimmung! Was war dein Highlight? – Ich habe den Kleidertausch super gefunden, da war einiges los und es war auch lustig zu beobachten, dass viele ältere Frauen aus Wattens interessiert vorbeigekommen sind, gefragt haben, was denn da passiere und dann noch einmal extra nach Hause gingen, um auch noch Kleidung zu bringen, die sie nicht mehr benötigten.
Habt ihr den Eindruck, dass viele Besucher*innen des Ortes Wattens vorbeigekommen sind, oder eher Leute von außerhalb? – Ich kann nur so viel sagen: Ich bin aus Schwaz und kenne hier niemanden! Und was meinst du? – Mir ist schon vorgekommen, dass vor allem bei den Programmpunkten, die im Ortskern stattgefunden haben, eher mehr Leute aus dem Dorf vorbeischauten, als von außerhalb. Die Wattener sind generell ein offenes Dorf für solche Events, wie ich den Eindruck habe.
Bist du aus Wattens? – Nein, bin ich nicht. Gefällt es dir hier? – Ja, gefällt mir schon gut. Was gefällt dir am Besten in Wattens? – Der Bach, der ist geil. Warum? – Dort ist es sehr kühl, der Bach reißt alles mit. Wenn ich einen Gummireifen gehabt hätte, wäre ich schon reingehüpft…

Der Bach | Foto: BE
Auch die Organisator*innen des Kulturverein Grammophon konnten schließlich ein positives Fazit aus dem rundum gelungenen Riesenwok ziehen:
Wir vom Kulturverein Grammophon sind sehr überwältigt, wie gut Riesenwok in Wattens und der Region angenommen wurde. Es war ein Versuch, etwas Neues im Ort aufzubauen, Programmpunkte aus vergangenen Veranstaltungen, die immer gut funktioniert haben, in neuem Gewand erscheinen zu lassen und zu schauen, was passiert. Das Ergebnis sind viele lachende, fröhliche und zufriedene Gesichter. Uns motiviert und gibt genau das neue Kraft, um hier anzuknüpfen und weitere Ideen zu spinnen.
– Jessica (Kulturverein Grammophon)
BE
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