Herbergen der Unvernunft – Fotos und Gedanken zum TAG DER OFFENEN CLUBS

Vergangene Woche konnten im Zuge des TAGS DER OFFENEN CLUBS, initiiert durch die Innsbruck Club Commission, Nachtclubs und Bars in Innsbruck, die ihre Türen teils seit mehr als einem Jahr geschlossen halten müssen, unter den gängigen Sicherheitsvorkehrungen einen Nachmittag lang wieder besucht werden. Wir haben uns ins ungewisse Altbekannte aufgemacht und ein paar Eindrücke festgehalten.

Fotos von Georg Ganglmayr, Philip Salzmann und Delia Salzmann.

Club Cubique, Karmelitergasse 21

Es ist Samstag, und wir gehen in einen Club. Vor etwas mehr als einem Jahr noch eine Selbstverständlichkeit, jetzt, inmitten eines Alltags dominiert von Ausgangssperren und Abstandsregeln, eine unerwartete Abwechslung. Diesmal reihen wir uns aber nicht zum Feiern in die Traube der Wartenden vor der Tante Emma ein (um eins schon eine Schlange – ungewohnt früh!), sondern um uns die prekäre Lage der Nachtclubs in Österreich vor Augen zu führen. Auf unserer nachmittäglichen Odyssee sieht im ersten Augenblick alles aus wie immer, trotzdem fühlen wir uns beim Betreten deplatziert und schleichen mit gemischten Gefühlen durch Orte, die wir bisher nur nachts kannten. Wo man sich sonst Klopapier in die Ohren stopfen musste, um den Bass zu dämpfen, herrscht jetzt gespenstische Stille. Wo man gleich Sardinen in der Dose in dichtgedrängten Massen stand, eine feuchte Schicht auf der Haut, vages Gemisch des eigenen Schweißes und dessen der anderen, herrscht jetzt gähnende Leere. Mancherorts weht die Nebelmaschine weiße Schleier wie Reste erst kürzlich verflogener Euphorie durch den Raum, als sei die letzte Party erst ein paar Minuten her, als könnten wir im Dunst beinahe unseren eigenen Schatten fassen, der eben diesen Club vor einem Jahr verlassen hat, ganz unbekümmert; wir können ja nächste Woche wiederkommen. Fast könnte das Märzlicht draußen der grelle Schock des Morgens sein, der uns sonst, für eine Verschnaufpause vor die Tür taumelnd, zum Aufbruch angestiftet hat, schon so spät, schon so früh, Zeit fürs Bett.

Aber eben nur fast. Ohne Musik, ohne Menschenmengen und ohne den Schutzmantel der Nacht offenbaren die leeren Clubs und Bars sich als klaffende Lücken in unserer sozialen Landschaft. Clubkultur ist mehr als das Ausbaden der privilegierten Langeweile einer verwöhnten Gesellschaft. Sie bietet Raum für das Ungewisse, für Ritual und Austausch auf tagsüber undenkbare Arten, jenseits von Vernunft und Planbarkeit. Leicht zu vergessen, wie wichtig dieser Teil unseres Lebens für uns war, wenn seine einstigen Schauplätze hinter verschlossenen Türen und fensterlosen Fassaden versteckt bleiben. Genauso wie die Tatsache, dass hinter jedem dieser Clubs Menschen stehen, oft junge Menschen, die alles, was sie haben, in ein Projekt investiert haben und jetzt in eine finanziell ungesicherte Zukunft blicken müssen. Und das, obwohl Lokale wie die Emma oder das Montagu sonst jedes Wochenende Schlangen von Besucher*innen vor ihre Türen ziehen, Project und Dachsbau oft fast zu voll sind, um noch einen Platz zum Tanzen zu finden, und die p.m.k. ein so treues Stammpublikum hat, dass man schon voraussagen kann, wen man dort treffen wird, bevor man hingeht. Die Forderung der Innsbruck Club Commission ist es nicht, inmitten der Pandemie die Clubs wieder aufsperren zu dürfen. Vielmehr verlangt sie für diese so besonders hart getroffene Branche eine angemessene finanzielle Unterstützung und das Ermöglichen einer langfristigen Zukunftsplanung, damit die Betreiber*innen die Zeit überstehen können, ohne alle Lokale schließen zu müssen, die Innsbruck nicht nur bereichern, sondern auch ausmachen. Einige hat es schon getroffen: jene, die an der Aktion nicht teilnehmen, fallen fast genauso sehr auf wie die, in denen wir heute ein paar Minuten lang verloren herumstreifen können.

Arche*Ahoi, Viaduktbogen 30

In einer Stadt, die sich trotz hohem Studierendenanteil vor allem über Tourismus und Wintersport definiert, ist eine fehlende Unterstützung für die Nachtclubkultur keine große Überraschung. Gerade um die Viaduktbögen, berüchtigte Herberge einer Vielzahl Innsbrucker Nachtclubs, rankten sich schon vor der Pandemie stetig Gerüchte von auslaufenden Mietverträgen und anstehenden Schließungen. Und doch regt sich gerade hier, zwischen Unsicherheit und düsteren Zukunftsvisionen, im Schutt und Staub der ehemaligen Zero Lounge, ein kleines Wunder: inmitten der schwierigen Umstände plant das Kollektiv hinter dem Projekt Arche*Ahoi, im Bogen Nr. 30 etwas Neues entstehen zu lassen. Noch wartet hinter der Eingangstür nur eine dunkle Baustelle: die Sicherung ist gerade ausgefallen, der Schein unserer Taschenlampe streift über Kabelreste, Mauerstücke und verstreutes Werkzeug. Die Arche* soll ein Club werden, aber auch ein Raum für kreativen und politischen Austausch. Sicher ist man sich noch nirgendwo, Pappschilder an Boden und Wänden geben einen Vorgeschmack auf eine mögliche Raumaufteilung, vor dem inneren Auge glänzt die Tanzfläche bereits im Schutt wie ein Phönix in der Asche. Umringt von den Spuren vergangener Nächte ist schwer zu übersehen, dass hier ein Traum vergehen musste, um einem anderen Platz zu machen – gut möglich, dass auch diese Schließung der fehlenden finanziellen Unterstützung geschuldet ist. Und doch bietet die Baustelle einen Beweis dafür, dass eine gesellschaftliche Krise nicht das Ende der Kreativität bedeutet: solange Menschen eine Stadt bevölkern, schaffen sich Orte der Freiheit immer wieder aufs Neue – sie können gar nicht anders.

| Delia Salzmann

3 Gedanken zu “Herbergen der Unvernunft – Fotos und Gedanken zum TAG DER OFFENEN CLUBS

  1. Wolfgang Foltermeier schreibt:

    Hallo zusammen,

    toller Beitrag Hutab… Wir fragen uns nur warum von allen teilnehmenden Clubs Bilder gemacht und im Beitrag veröffentlicht wurden ausser von uns mhmmm.. Wir würden uns über eine entsprechende Antwort freuen.. Zur Erinnerung Verein Funlife Innsbruck/ 69 Partyclub.. Verein zur Förderung
    Und Aufklärung einer hedonistischen Lebensweise sowie die Förderung der Kunst und Kultur.

    Lg
    Verein Funlife Innsbruck
    Wolfgang
    Obmann

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    • komplex – KULTURMAGAZIN INNSBRUCK schreibt:

      Lieber Wolfgang, wir hätten euren Club total gern fotografiert und hatten das ursprünglich auch vor. Fotos machen braucht aber Zeit und inklusive Anstehen vor einigen der Locations ist es sich innerhalb der 6 Stunden leider nicht ausgegangen überall hinzugehen – ich denke das wird den meisten Besucher*innen so ergangen sein. Wir mussten dann eine Auswahl an Lokalen treffen, die relativ nah beieinander lagen, und ihr seid ja etwas außerhalb gelegen. Wir haben übrigens nicht nur euch nicht besuchen können, sondern zB auch das Rififi und das SixtyTwenty. Tut mir sehr leid – ich hoffe ihr wisst, dass ihr in der Intention des Beitrags mitgemeint seid, auch wenn wir nicht vorbeikommen konnten! – Delia

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