Mit Karin Ferrari haben sich die Premierentage – Festival für zeitgenössische Kunst für ihre 21. Ausgabe eine Künstlerin an Bord geholt, die sich mit Verschwörungstheorien auseinandersetzt. Ihre Kunst will verdeckte Botschaften der Alltagskultur (heute wohl treffender: „Bildschirmkultur“) aufdecken. Für dieses Phänomen hat Karin Ferrari die Wortkreation „Trash Mysticism“ geschaffen – gemeint sind damit Inhalte zwischen esoterischen Utopien und politischer Paranoia, die wir täglich über unsere Bildschirme konsumieren und die in gewisser Weise gerade eine neue Art der Spiritualität heraufbeschwören.

Karin Ferrari – Trash Mysticism
Dabei sieht sich die Künstlerin selbst auch in der Rolle als „Disinfotainerin“. Indem sie ihre experimentellen Dokufiktionen in ihrem Youtube-Channel DECODING THE WHOLE TRUTH präsentiert, bringt sie selbst wiederum Inhalte hervor, die nun tausende Bildschirme füttern. So hat ihr erstes Video, in dem sie Lady Gagas Hit Bad Romance als ihre okkulte Initiation zum Superstar interpretiert, bereits über 100.000 Views.
Bei den diesjährigen Premierentagen werden die Botschaften von Karin Ferrari kaum zu übersehen sein – wir können auf erhellende Interventionen in Form von Memes im öffentlichen Stadtraum gespannt sein. Warum sich die Premierentage dieses Jahr für Karin Ferrari als Festivalkünstlerin entschieden haben? – „Das Interessante an ihrer Arbeit ist, dass sie eine Konstante in ihren Themen hat, die jedoch immer tagesaktuell sind und eine hohe Relevanz behalten. Was Karin Ferrari schafft, sind Werke, die heute wichtig sind, aber auch nächstes Jahr noch und vor fünf Jahren waren sie das auch bereits“.
Das komplex-Magazin hat Karin Ferrari dazu befragt, was hinter ihrer Kunst steckt:
Interview mit Karin Ferrari
komplex: Mit deinen filmischen Dokufiktionen bringst du Botschaften ans Tageslicht. Wie siehst du hierbei das Verhältnis zwischen deiner Kunst und Wissenschaftlichkeit?
Karin Ferrari: Unsystematisch.
k: Du unterziehst auch Musikvideos von bekannten Stars einer Analyse. Gab es Reaktionen von Künstler*innen, deren Videos du analysiert hast?
KF: Azealia Banks hat mein DECODING Video über ihr Musikvideo Atlantis gefunden. Sie hat getwittert: „Look guys I’m really a witch“.
k: In einem Video dekodierst du das iPhone Xs. Besitzt du selbst ein iPhone?
KF: Ich kommuniziere hauptsächlich telepathisch. Aber ja, ich habe ein iPhone für mein Social Media.
k: Welche Lektüre inspiriert dich zu deiner Arbeit?
KF: Zwei Bücher haben mich während meinen Recherchereisen das letzte Jahr um den halben Globus begleitet: Erik Davis Techgnosis und Gary Lachman’s Dark Star Rising. Ich freue mich sehr, dass Lachman einen Text für mein Künstlerbuch beigetragen hat, das im Rahmen der Ausstellung im Ferdinandeum entstanden ist. Darin zeichnet er die Geschichte des Okkultismus nach, wie die Moderne darin verwurzelt ist, bis in die Gegenwart – also zu dem, das ich als Trash Mysticism bezeichne.
k: Wie stehst du zu Symbolen?
KF: Ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert, wenn ein Hype um ein Bildmotiv erkennbar wird. Um 2013 herum gab es kein Konzertplakat ohne Dreieck, gleichzeitig zog das Kreuz (wurscht ob nach oben oder unten) in den Hipster-Bilder-Pantheon ein, gemeinsam mit Laser Space Cats und Einhörnern, die wurden kürzlich von den Flamingos abgelöst und nun kommen die Ananas.
k: Wie ernst nimmst du Verschwörungstheorien?
KF: 4 % der US-amerikanischen Bevölkerung glauben, dass reptilian shapeshifting aliens eine geheime Weltdiktatur führen. Es reicht nicht, diese Leute einfach als Verrückte abzustempeln. Manche vielleicht. Andere versuchen zu verstehen, was wirklich los ist. Es ist ein hochkomplexes Phänomen, das symptomatisch ist für unsere Zeit und ihre opaken Machtstrukturen.
k: Inwiefern spielt Humor eine Rolle für deine Kunst?
KF: Humor ist eine Waffe. Er kann dabei helfen, einen Raum zu schaffen, über schwierige Themen zu sprechen und zum Nachdenken anzuregen.
k: Wie siehst du deine Rolle als Premierentage-Künstlerin?
KF:
Die Ausstellung „Trash Mysticism“, für die Karin Ferrari den RLB-Kunstpreis 2018 gewonnen hat, ist übrigens noch bis 25. August im Ferdinandeum (Tiroler Landesmuseum) zu sehen. Im Rahmen der Ausstellung hält die Künstlerin am 23. August dort eine Lecture Performance.
Links:
Ausstellung „Trash Mysticism“ im Ferdinandeum
Youtube-Kanal: DECODING THE WHOLE TRUTH
Premierentage – Festival für zeitgenössische Kunst
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Ein Gedanke zu “„DIY Spiritualität“ als Thema zeitgenössischer Kunst”