Senegal, wo ist das eigentlich genau? Ein (weißer) Künstler weiß mehr…

Wer in Innsbruck mit fokussiertem Blick auf Kunst und Kultur unterwegs ist, dem sind bestimmt schon einmal die meist bunten und wimmelnden Plakate, Flyer oder Karten begegnet, die der Innsbrucker Illustrator und Grafiker Patrick Bonato gestaltet hat. Unter dem Titel Toubab im Senegal präsentiert er nun morgen (um 18 Uhr im WEI SRAUM) seine zweite Graphic Novel. Wie es den Tiroler Künstler über eine Artist-Residency nach Westafrika verschlagen hat und welche Erfahrungen ihn dabei geprägt haben, erfahrt ihr (nicht nur in seinem autofiktionalen Buch, sondern auch) im persönlichen Interview mit komplex.

Buchcover Toubab im Senegal | Illustration: Patrick Bonato

Lieber Patrick, dein künstlerisches Buchprojekt handelt über den Senegal. Wie ist es denn dazu gekommen? Was zieht dich nach Westafrika?

Mehr oder weniger ein Zufall. Mit meiner Partnerin Isabel habe ich einige Zeit in einer Zwischennutzung gewohnt, dieses Gebäude wurde dann aber abgerissen und wir wussten erstmal nicht wohin. Also beschlossen wir, auf Reisen zu gehen, aber nicht im Backpacking-Style, sondern als Artists-in-Residence. Wir haben geschaut, welche Länder uns interessieren und wo es auch etwas für Comic-Zeichnung oder Illustration gibt. Isabel, die ebenso Illustratorin ist, ist dann auf die Residency im Senegal gestoßen. Wir waren beide sofort motiviert dafür und sind gemeinsam aufgebrochen.

Ich selber war ca. vor zehn Jahren schon einmal in Westafrika, da habe ich ganz naiv mit zwei Freunden ein kleines Entwicklungshilfeprojekt initiiert, bei dem wir Computer sammelten und an Schulen in Burkina Faso verteilten. Ich war damals schon sehr begeistert von der Gegend. Aber es war auch interessant, über Entwicklungshilfe zu lernen. Hinter unserem Projekt steckte zwar gute Absicht, und vermutlich hat es auch Einzelnen etwas gebracht, aber wir haben uns daraufhin auch kritisch mit der Frage beschäftigt, ob wir damit wirklich geholfen haben – es gibt ja auch einige afrikanische Denker:innen, die sagen, sie wollen keine Entwicklungshilfe mehr, denn diese schafft nur Abhängigkeit und eine gewisse Passivität.

Die (selbstironische) Story deiner Graphic Novel ist offensichtlich autobiographisch geprägt. Die Hauptfigur schaut dir aber gar nicht ähnlich. Was hast du dir dabei gedacht?

Die Figur, das bin ja nicht ich. Aber die Geschichte ist irgendwie von Zeit zu Zeit immer autobiographischer geworden. Das Buch war ursprünglich so angelegt, dass der Protagonist Toubab (so werden Weiße oft im Senegal genannt) alle Weißen repräsentieren soll, daher ist seine Physiognomie ganz einfach angelegt, er hat recht wenig Charakterzüge. Nebenbei wird die Artist-Residency ja auch von zwei Finnen geleitet – die haben mich auch ein bisschen inspiriert, ihn so weiß und mit blonden Haaren darzustellen (lacht).

Dann, im Zuge des Story-Schreibens, habe ich gemerkt – Toubab muss eine gewisse Agenda haben. Also einen Grund, weshalb er hier ist, und so weiter. Ab diesen Punkt habe ich meine eigene Geschichte, meine eigenen Erlebnisse eingebracht. Es ist aber schwer zu sagen, wie viel da jetzt von mir drinnen steckt. Ich war vielleicht nicht ganz so unbeholfen und patschert wie Toubab. Aber das Gefühl, das ich dort hatte, ist nun gewissermaßen in ihm verkörpert.

Auszug aus Toubab im Senegal | Illustration: Patrick Bonato

Der Umgang mit Sprache ist ein auffallender Faktor in deinem Buch. Ich war beim Lesen erst etwas verwirrt darüber, dass Toubab in gebrochenem Deutsch spricht und habe dann erkannt, dass du damit das gebrochene Französisch der Hauptfigur andeutest…

Genau, im Senegal wird ja als zweite Sprache Französisch gesprochen. Meine Kenntnisse darin sind sehr eingeschränkt, daher war für mich auch das Gefühl des Fremdseins in diesem Land ein starkes. Es ist ein langer Prozess, bis man in einem fließenden Gespräch alles versteht und es dann auch schafft, sich selber einzubringen.

Was bemerkenswert ist: Im Senegal werden 40 verschiedene Sprachen gesprochen. Und die meisten Leute dort beherrschen mindestens drei bis fünf Sprachen fließend. Die Hauptsprache wird Wolof genannt. Falls jemand vorhat, dorthin zu reisen, kann ich nur als Tipp mitgeben, ein paar Begriffe in dieser Sprache zu lernen (eine Liste mit Alltagsausdrücken auf Wolof ist auch in der Graphic Novel angeführt). Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es die Senegales:innen wahnsinnig schätzen und die zwischenmenschliche Begegnung sofort zu einer anderen wird, sobald man ein paar Wörter Wolof sprechen kann.

In meinem Buch war es mir wichtig, aufzuzeigen, dass man sich als Weißer im Senegal bemühen muss, die Sprache zu lernen und man darauf angewiesen ist, dass Leute mit einem geduldig sind und einem helfen. Ich habe dieses Unbeholfen-Sein in den Dialogen zum Ausdruck gebracht, indem ich sie an die französische Satzstellung anlehnte, da ich beim Sprechen oft die deutsche Syntax auf das Französische übertragen habe, was dann für andere fehlerhaft klingt.

Toubab ist in vielen Situationen sichtlich überfordert und braucht zwischendurch immer wieder Zeit, die Erlebnisse zu verarbeiten. Wie ist es dir persönlich mit den kulturellen Unterschieden im Senegal ergangen?

Das Schöne dort ist, dass dem Zufall so viel Bedeutung zukommt – ständig passiert einem etwas. Diese Lebensenergie wollte ich auch in den Szenen im Buch zum Ausdruck bringen.

Etwas ungewohnt war für mich das Verständnis von Grenzen gegenüber anderen Individuen, das dort ein ganz anderes ist als bei uns. Man wird ständig angesprochen – nicht nur, weil man weiß ist, sondern weil der Kontakt dort viel wertfreier und weniger distanziert ist als wir es kennen. Außerdem ist Saint-Louis, die Stadt in der wir gelebt haben, ungefähr so groß wie Innsbruck, sodass man die Leute mit der Zeit kennenlernt und ständig die gleichen Menschen auf den Straßen trifft, die einen dann ansprechen. Sobald man also rausgeht, ist man dem Leben dort sofort ausgesetzt.

Im Buch gibt es als wiederkehrendes Moment jene Szene, in der Toubab hinter die Tür der Residency flüchtet. Dieser Raum ist auch tatsächlich sein Zufluchtsort, wo er dann endlich wieder durchatmen kann.

Auszug aus Toubab im Senegal | Illustration: Patrick Bonato

Was sind die Erfahrungen, die dich bei diesem Aufenthalt selber nachhaltig geprägt haben? Welche Schlüsse daraus willst du den Leser:innen deines Buches mitgeben?

In erster Linie ein Bewusstsein über unsere Privilegien. Das habe ich im Senegal sehr stark gemerkt und es ist auch gar nicht immer so leicht, dieses westliche Privileg auszuhalten. Man kommt, und man kann auch jederzeit wieder gehen. Schon da fängt unser riesiges Privileg an. Das wird auch im Buch angeschnitten, denn viele Senegales:innen wollen ja auch gehen. Es gibt dort sehr wenig Perspektiven.

Gemerkt habe ich das aber auch an vielen kleinen Dingen. Wie beim Essen zum Beispiel: Wir leben dieses „Alles-Immer-Sofort“ – um jede Uhrzeit können wir essen, wonach uns der Sinn steht. Das ist aber nur bei uns im Westen so. Die Ernährung im Senegal ist zwar auch gut und lecker, aber halt einfach.

Auch der eurozentrische Blick ist ein zentrales Thema meines Buches. Mir ist aufgefallen, dass die Senegales:innen beispielsweise sehr viel über Europa und dessen Kultur wissen, aber umgekehrt wissen Europäer:innen meist gar nicht einmal, wo sich Senegal befindet, oder dass er überhaupt existiert. Für mich persönlich war es schon eine besondere Erfahrung, einmal über den eigenen Tellerrand hinauszutreten.

Patrick Bonato | Bild: Nicolas Hafele

Wer mehr über Toubab erfahren oder von ihm sehen möchte, sollte sich die morgige Buchpräsentation im Dialogformat zwischen dem Autor/Illustrator Patrick Bonato und der Journalistin Ivona Jelčić nicht entgehen lassen. Buchexemplare wird es anschließend auch in den Innsbrucker Buchhandlungen (Wagnersche, Tyrolia, liber Wiederin) zu kaufen geben – oder im Webshop von Patrick Bonato (wo übrigens auch seine erste Graphic Novel Das bunte Buch verhaltensgestörter Tiere zu finden ist).

| Brigitte Egger

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