Ein Gespräch mit Eva Kuen und Margot Mayrhofer über ihr Programm
Bis in die Puppen soll die Utopie gefeiert werden, die Eva Kuen und Margot Mayrhofer sich da ausgedacht haben. Aber bis in die Puppen soll auch gekämpft werden – gegen das Patriarchat und seinen „Zwillingsbruder Kapitalismus“, für die Gleichberechtigung der Geschlechter und für die Realisierung ihrer utopischen Vorstellung von der Welt.
Zusammen mit der Musikerin Teresa Staffler wird dem Publikum eine Welt präsentiert, wie sie sein könnte – leider nicht ungestört von der, die tatsächlich ist und die dringend einer Veränderung bedarf. Im Gespräch mit komplex erzählen Eva Kuen und Margot Mayrhofer von ihrem Vorhaben.

Was macht euer Programm zu einer Utopie?
Margot: In der Welt, die wir uns vorstellen und die wir teilweise darstellen, sind gewisse Dinge, die patriarchal geprägt sind, einfach nicht mehr existent.
Eva: Es geht uns darum, aus dem System des Kapitalismus und des Patriarchats, die ja Zwillinge sind, ein partnerschaftliches zu machen.
Margot: Das Programm ist aufgebaut als eine Mischung aus Sichtbarmachung gewisser Missstände, (verstellt ihr Stimme) „Faktenchecks“, sowie Utopien, die in eine gleichberechtigtere Welt sehnsüchteln. Letztere hat Eva geschrieben, sie machen den poetischen Teil des Stücks aus. Und: das ganze ist gespickt mit tollen Songs – an dieser Stelle sei nochmal unsere großartige Musikerin Teresa Staffler erwähnt!
Faktenchecks?
Margot (verstellt wieder ihr Stimme): „Faktenchecks“ beinhalten verschiedene, ernüchternde hard facts – wie zum Beispiel, dass mehr Menschen an hurricanes mit weiblichem Namen sterben als an welchen mit männlichem, weil die Leute sich weniger davor fürchten und daher weniger vorsichtig sind. Irre oder? Anschließend schreddern wir diese schrecklichen Fakten.
Wie kam es zur Idee dieses Programms?
Eva: Vor einem Jahr wurden wir von den Veranstalterinnen des „Schenner Langes“ angefragt, ob wir nicht für den Tag der Frau einen Abend gestalten wollten. Dort hatten wir dann letztes Jahr die Premiere und haben es jetzt in etwas veränderter Form übernommen. Es war schon von Anfang an klar, dass wir es weiterführen wollen, die Tournee durch die Städtetheater beginnt aber erst jetzt.
Inwiefern ist der Kapitalismus der Zwillingsbruder des Patriarchats?
Margot: Es ist im Grunde dasselbe mit einem anderen Namen, finde ich.
Eva: Beide funktionieren nur, weil es Hierarchien gibt und weil dadurch kein gemeinschaftliches Handeln möglich ist.
Margot: Genau! Das krampfhafte Festhalten an den Hierarchien ist in beiden Fällen die Wurzel des Problems. Darunter fällt beispielsweise auch, wenn Dinge wie die Frauenquote oder das Gendern als Bedrohung wahrgenommen werden.
Eva: Und viele Leute denken, sowohl das Patriarchat als auch der Kapitalismus seien unveränderbar. Aber nur, weil immer in Extremen gedacht wird. Das Gegenteil vom Patriarchat ist nicht das Matriarchat, das Gegenteil vom Kapitalismus nicht der Kommunismus. Es geht einfach um Gemeinschaft.
Bedingen sie einander auch?
Margot: Natürlich. Frauen verrichten zum Beispiel den Hauptteil der Arbeit in der Welt. Finanziell bleibt ihnen aber nichts, weil sie gratis arbeiten, weil die ganze Care-Arbeit von Frauen ausgeübt wird und so weiter.
Eva: Und das Patriarchat ist ja auch nur möglich, weil Menschen ausgebeutet werden. In manchen Ländern haben Frauen gar keine Rechte und machen im Hintergrund die ganze Arbeit – nur so funktioniert dieses System. Also hängen die beiden natürlich eng zusammen.
Wenn ihr eines der beiden Probleme lösen könntet, welches würdet ihr wählen?
Margot: Das Patriarchat ist die Wurzel allen Übels glaube ich. Also weg damit.
Eva: Die beiden sind untrennbar miteinander verbunden. Aber wenn das Patriarchat aufgelöst werden würde, würde der Kapitalismus auch zu wackeln beginnen, denke ich.
Margot: Ich habe leider das Gefühl, es gibt momentan eine eher rückläufige Bewegung, was den Feminismus betrifft. Stichwort #stayathome girlfriends: Ein Trend, bei dem junge Frauen freiwillig zu Hause bleiben, keiner Tätigkeit nachgehen, sich finanziell von ihrem Partner abhängig machen und den Haushalt schmeißen.

Warum entscheiden sich eurer Meinung junge Frauen heute wieder bewusst zu solch einem Lebensentwurf?
Margot: Vielleicht ist es einfach eine Rechtfertigung, um nichts tun oder ändern zu müssen. Ich weiß es nicht. Wenn es ihr Traum ist, zu Hause zu sein und sechs Kinder zu haben, soll das jede so machen. Aber Frau sollte sich halt immer bewusst sein, ob bzw. inwiefern sie sich abhängig macht oder nicht. Und das ist das Schwierige daran, weil ja Männer nach wie vor mehr verdienen. Außerdem muss man natürlich unterscheiden, wann es wirklich freiwillig ist und wann nicht, denn Freiheit ist, wenn ich die Wahl habe. Wenn Männer mehr bezahlt bekommen, habe ich aber oft nicht die Möglichkeit, arbeiten zu gehen, weil der Babysitter zu viel kostet. Die Wahlmöglichkeit gibt es also nicht wirklich.
Eva: Das Sicherheitsbedürfnis und die Angst sind gerade in Zeiten von Klimawandel, Krieg usw. extrem groß. Vielleicht sehnt man sich in der Zeit auch mehr nach dem Rückzug ins eigene Heim.
Wie kann man ein Kabarett über eines der größten Probleme der Welt machen?
Margot: Wir waren uns eigentlich immer einig über die Linie – wir sind zwar keine Kabarettistinnen, weil wir sind eigentlich nicht lustig, aber…
Eva: Aber wir wollten Spaß dabei haben! Und es ist eigentlich mehr ein Abend, an dem wir uns mit den genannten Themen beschäftigen, als ein Kabarett…
Margot: Und das auf einer entkrampften, befreiten Ebene. Alle sollen über sich oder das Bild, das ihnen aufgezwungen wird, lachen. Wir hätten ja in der naiven Utopie gerne, dass es all die Regeln nicht mehr braucht, dass die patriarchalen Gewohnheiten nicht mehr als gegeben hingenommen werden und jegliche Begegnungen zwischen allen Geschlechtern von Leichtigkeit und neidlosem, respektvollen Miteinader geprägt sind.
Eva: Wir erzählen jetzt auch keine großen Neuigkeiten, sondern es ist eher wie ein Reminder, wie tief das patriarchale Denken immer noch in den Menschen verankert ist.
Kann man durch gemeinsames Lachen Probleme besser lösen als durch gemeinsames Sorgen?
Margot und Eva zugleich: Immer!
Margot: Aus Sorgen zieht man sich zurück oder es entsteht Ärger.
Eva: Lachen gibt einem die Courage, Dinge auszuprobieren, frecher zu sein. Humor ist immer heilsam.

Was ist eure persönliche Utopie?
Margot: Meine zwei Töchter sollen dieselben Voraussetzungen haben die Welt zu erobern, wie ihre männlichen Freunde. Aber sie sind 9 und 14… Ich bin mir nicht sicher, ob sich das ausgeht.
Eva: Ich denke viel über den Klimawandel nach. Ich wünsche mir, dass die Welt umgebaut wird – die Pläne, die in den Schubladen liegen, sollen umgesetzt werden, das Geld dafür verwendet und gerecht aufgeteilt werden. Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit, das ist meine Utopie.
| Sarah Caliciotti
Nächste Termine:
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