Sind wir gespaltene Persönlichkeiten? Die Ausstellung „21gramm“, die bis 30.3.23 den openspace.innsbruck bespielt, antwortet mit einem klaren Ja. Sie nähert sich dem Menschen in seiner Vielgesichtigkeit und thematisiert dabei all das Unterdrückte und Beiseitegeschobene, das die menschliche Existenz ausmacht. Es ist die erste große Einzelausstellung der Künstlerin „thePandMe“ alias Sandy Palaske.

Auf einem Gemälde lassen Adam und Eva im Garten der Lüste grüßen, nicht unweit davon sind es in den Arbeiten Plant und Inside innere Begierden, die nach außen treten, aber nicht wirklich fassbar werden, ja keine klaren Konturen annehmen können. Die aktuelle Ausstellung im openspace.innsbruck ist dem Menschen und seinem Wesenskern gewidmet. In diesem Zusammenhang fällt auch das Wild girl ins Auge, eine am Sofa lümmelnde Frau. Auf ihr häuft sich ein Berg voll Dinge, alles nicht klassifizierbare Gegenstände, die sich nicht abstreifen lassen, weil sie zu sehr an ihrem Wesen und ihrem Körper haften. Wir alle tragen wohl diesen Rucksack des Lebens mit uns mit. Was die Künstlerin „the PandMe“ mit einer Lockerheit malt, ist weder behaglich noch harmlos. Auch wenn die Werke, die da im openspace hängen, poppig, spielerisch und luftig-locker wirken, sind sie mit einer Dichte versehen, die fast erschlägt. Farbkontraste prallen aufeinander, schaukeln sich gegenseitig auf, Dargestelltes geht ineinander über. Man braucht seine Zeit, um all das einordnen zu können. Zugegebenermaßen kann man sich in den Figuren, Eingebungen und Gedanken, die immer mehrdeutig gedacht werden, fast verlieren. Oft sind es dargestellte Hände, Arme und Finger, sie ringen danach, in der Luft Schwebendes dingfest zu machen. Und verzweifeln daran. So wie das Unbewusste präsent und absent ist, poppen auch die gemalten Gegenstände fluide in Zwischenzonen auf.
In „thePandMe´s“ Kunst ist nichts eindeutig, doch nahezu alles hat seinen philosophischen Unterbau. Zumindest das haben alle Werke gemeinsam. Sie stellen Fragen zu dem, was das Menschsein ist und ausmacht. Das Seelenleben ist dabei Stichwort und Ausgangspunkt, sowie bereits der Ausstellungstitel, anspielend auf einen Versuch einer Psychostasie des Arztes Duncan MacDougalls, deutlich macht. Dieser zugegebenermaßen eigentümliche Titel „21gramm“ meint in diesem Zusammenhang nichts anderes als die Gewichtsdifferenz zwischen einem Lebenden und einen Toten. Woraus MacDougall den Schluss zog, dass die Seele – eben in diesen 21 Gramm– materiell und physisch messbar sein muss.
Doch keine Sorge: In der aktuellen Ausstellung im Openspace müssen Sie an keinen Leichenbeschauungen oder sonstigen medizinischen Versuchen beiwohnen, um dem Seelenleben und der menschlichen Existenz im Generellen einen Schritt näher zu kommen. Auch wird es nicht so makaber, wie der Ausstellungstitel suggerieren mag. „ThePandMe´s“ Zugang ist subtiler Art:
„Im künstlerischen Akt bewege ich mich gerne intuitiv im Unterbewusstsein. Die Kunst ist für mich Sprache, wo ich all das was um uns herum und auch in uns passiert, auf andere, feinspürige Weise ausdrücken kann“,
so die autodidaktische Künstlerin, die ursprünglich aus Ostdeutschland stammt, ihre kreative Ader jedoch in den autoritären Strukturen der damaligen DDR nicht ausleben konnte, mit Zwanzig in Innsbruck gelandet ist und in der Tiroler Landeshauptstadt sowie der Kunst hängenblieb: „Weil ich sehr stark auf mein Inneres höre und meinen inneren Berufungen nachgehe, tat sich die bildende Kunst für mich ganz selbstverständlich auf. Etwas hat in mir vibriert, ich wollte dem Gefühl folgen.“ Künstlerisch arbeitet „thePandMe“ keineswegs in einem Guss, es ist vielmehr ein wirrer, verschachtelter Prozess, den sie folgt. So arbeitet sich die Künstlerin von Schicht zu Schicht ab, wobei es ständig passieren kann, dass Neues das Alte überschreibt oder eine Schicht die andere abträgt. Zufällige Momente sind in diesem stetigen Wechsel von Auf und Ab miteingeschlossen, sie machen das Werk erst zu dem, was es am Ende ist.

So verworren ihre Arbeitsweise ist, ist auch der Inhalt ihrer Werke. Richtig beschreiben lassen sich die Themenkreise der Künstlerin aber kaum, dafür sind sie auch zu substanziell. Was sich jedenfalls wie ein roter Faden durch ihr Schaffen zieht, sind die existentiellen Fragestellungen, die uns als Menschen beschäftigen. So erforscht die Künstlerin Räume des Werdens und Vergehens, des Einordnens in sozial-gesellschaftliche Zwänge und des Ausflüchtens in künstlich geschaffene, freie Räume. Stark von der Philosophie geprägt, schreiben sich Freud und Derrida, Über-Ich und Ontologie, unbewusst in die Werke der Künstlerin mit ein. „ThePandMe“ zielt auf Backgrounds, bedient sie und denkt sie weiter. Ihre Arbeiten können ein ganzes Konvolut an Theorien zur Erklärung bedingen, aber auch einfach ganz unbedarft eintauchen lassen in die Innenwelt unseres Seins. Es ist die Freiheit der Betracher:innen, die hier neue Akzente setzt.
Die Ausstellung selbst zieht sich an ausgewählten Werken auf, die nicht nur für sich stehen, sondern das Potential des Raumes ausloten wollen. Die Arbeiten sind sehr farb- und imageintensiv, wobei es in „21gramm“ bezugnehmend auf den Titel der Ausstellung – der Bewusstseinsfrage – auch darum geht, wie die einzelnen Positionen mit dem Raum arbeiten und interagieren. Bewusst lässt sie auch eine gewisse Lockerheit in ihre Werkpräsentation mit einziehen, die ihrem Naturell entspricht:
„Da ich keine Freundin klassischer Ausstellungformate bin, ist mir die Idee eines dynamischen Raumes sehr wichtig, der sich auch abseits des Visuellen begibt. So gibt es bei mir Musik, auch wird der Außenbereich, der nette Garten des Openspace, miteinbezogen. Es ist mir sehr wichtig, diese Starrheit aufzubrechen, sodass sich jede:r frei und ungezwungen bewegen kann“