komplex im Gespräch mit TIPPS FÜR WILHELM

Seit gestern gibt es ihr neues Album „Put Your Head On My Shoulder“. Zweieinhalb Jahre haben Tipps für Wilhelm an ihrem Kunstwerk gebastelt. Gestern präsentierten sie es offiziell im Privatclub Berlin. Wir hatten letzte Woche schon die Chance, uns mit Sänger/Gitarrist Guillermo Morales, Bassist Thomas Wosnitza und Schlagzeuger Ruud van der Zalm zu unterhalten. Nicht zuletzt, weil der Neuzugang der Band unser lieber nach Berlin ausgewanderter Jo Stöckholzer ist. Hier gibt es alles nachzulesen, was man über diese coolen Berliner wissen sollte.

Seit wann gibt es „Tipps für Wilhelm“ und wie hat sich das zugetragen, dass ihr euch zusammengetan habt?

Guillermo: Das Ganze ging eigentlich von mir aus, als ich mit dem damaligen Bassisten eine Band gründen wollte. Ruud kam dazu, nachdem er eine witzige Anzeige in der Zitty aufgegeben hatte, im Sinne von „Drummer sucht Band“, die mir dann aufgefallen ist. Thomas ist seit 2014 dabei, nachdem wir ihn angerufen haben: „Wir brauchen dich, kannst du mal vorbeikommen?“. In diesem Jahr ist auch das erste Album „Hornissen“ erschienen. Das heißt, ursprünglich gab es vier Bandmitglieder, dann gab es ein paar Formationswechsel, inzwischen sind wir gemeinsam mit Jo auch wieder zu viert.

„Tipps für Wilhelm“ – der Name klingt, als ob da eine ganz bestimmte Story dahinterstecken würde. Wie seid ihr darauf gekommen?

Guillermo: Das hat mit einem Mixtape zu tun und mit meinem Namen, der ja übersetzt „Wilhelm“ heißt. Ich habe einen Freund gehabt in Köln, der immer schon einen guten Musikgeschmack hatte und den ich öfters gefragt hat, ob er ein paar neue Bands kennt und welche Songs er gerade hört. Dann hat er mir immer eine Kassette geschickt auf der stand: Tipps für Wilhelm. Als es dann darum ging, unserer Band einen Namen zu geben, ist mir das wieder eingefallen, und so haben wir uns dann dafür entschieden.

Was würdet ihr sagen, worum geht es in euren Liedern?

Guillermo: Wenn man das jetzige Album hernimmt, wie das entstanden ist, das war wie ein Prozess. Wir haben uns einen ehemaligen Pferdestall in Rum Kogel in Mecklenburg-Vorpommern gemietet, den zum Studio umfunktioniert, sind da immer wieder mal rausgefahren zum Aufnehmen. Am Anfang waren noch nicht alle Texte da, die Struktur der Songs war noch nicht klar, das ist alles Stück für Stück entstanden. Da haben wir uns bewusst Zeit genommen. Und so sind die Lieder jetzt auch so, wie die letzten zweieinhalb Jahre waren: ein bisschen düster.

Ruud: Manchmal auch beides: melancholischer Text mit groovy Beat. Wir lassen uns von den Dingen inspirieren, die so um einen rum passieren, und verarbeiten in den Texten, wie man damit umgeht.

Guillermo: Wir haben aber auch immer ein Spaßlied auf der CD. Es ist auch nicht alles so düster, einfach viel erzählerisch getextet. Was für manche düster klingt, ist für andere vielleicht romantisch. In dieser Platte geht es zum Beispiel tatsächlich viel um Liebe. Aber das ist dann so wie bei „Ich sehe dich du mich nicht“, dass man eine Beziehung hat und das gar nicht weiß. Also da geht’s um Stalking.

Also, ich hab mir das Lied drei oder vier Mal angehört, aber auf diese Idee wäre ich noch nicht gekommen.

Guillermo: Das ist halt das, was wir uns dabei gedacht haben, wovon wir ausgegangen sind beim Texten und Musizieren. Für andere kann das wieder eine ganz andere Bedeutung haben. Also es sind so romantische, auch ganz fiktive Geschichten. Der Reiz für mich daran war die Vorstellung, wie das sein könnte. Und die Stalker-Perspektive ist jetzt in der Musikindustrie noch nicht so beschrieben worden.

Thomas: Das ist auch einer der Merkmale an Guillermos Songwriting. Die Texte sind eben nicht so direkt, sondern haben eher einen verschlüsselten Charakter. Das schafft einen Freiraum in der Interpretation, der ganz wichtig ist.

Habt ihr ein bestimmtes Idol?

Ruud: Jo!

Thomas: Madonna!

Guillermo: Also ich finde die Art, wie zum Beispiel Tocotronic Musik machen, und welche Haltung sie dazu haben, sehr vorbildlich.

Unter den vielen deutschsprachigen Indie-Bands, was macht euch besonders?

Ruud: Erstens einmal die Stimmfarbe von Guillermo, der hat einen eigenen Stil, das ist schon besonders.

Thomas: In Deutschland gibt es derzeit eigentlich nichts, was so klingt wie unser Album. Das habe ich jetzt schon öfters gehört, dass es vom Sound her eher internationaler klingt. Ein über die Grenzen hinausgehender Indie-Sound, wo man sich nicht auf Konventionen beschränkt, nicht versucht, irgendeinen Format-Pop zu machen, um damit etwas zu erreichen. Darum ging es auch bei unserer Albumproduktion: Wir wollen in der Kunst bleiben, nicht für jemand bestimmtes produzieren, sondern so, dass es primär uns gefällt. Diesen Anspruch wollen wir auch nicht verlieren.

Jetzt ist natürlich ein Grund für uns, euch zu interviewen, die Tatsache, dass unser lieber Jo nach Berlin ausgewandert ist und sich euch angeschlossen hat. Leider ist er gerade nicht dabei – aber erzählt mal, wie ist das so zugegangen?

Guillermo: Ich hab Jo das erste Mal getroffen in einer Kneipe in Berlin, über einen Musikerkollegen. Er hat gerade von seiner Russland-Tour erzählt, das hörte sich sehr lustig an. Dann haben wir zusammen ein Bier getrunken.

Ruud: Nach den Aufnahmen haben wir dann wieder einen Gitarristen gesucht. Und wir wollen ja niemanden haben, der nur Gitarre spielt, der muss auch zu uns passen. Und da meinte Guillermo: „Sollen wir Jo fragen?“

Guillermo: Es kommt auch ganz stark darauf an, dass man den gleichen Humor hat. Das ist so wichtig! Wir hatten mal jemanden, der unsere Witze nicht verstanden hat. Da wird es dann schwierig.

Thomas: Jo passt auch von der Art und Weise, wie er auch selber mit unkonventionellen Methoden in seiner Musik arbeitet, total gut zu uns.

Guillermo: Wir haben Jo dann einfach mal mit nach Rum Kogel genommen, auf gut Glück haben wir den Raum für eine Woche gebucht. Und das hat sofort super gepasst.

Ihr bringt ja jetzt euer neues Album heraus. Worauf dürfen sich eure Fans denn freuen?

Ruud: In „Put Your Head On My Shoulder“ ist für jeden was dabei. Es ist sehr abwechslungsreich. Hätte man nur „Ich sehe dich du mich nicht“ gehört, könnte man meinen, das wird eine Rock-Platte. Aber es kommen noch ein paar Überraschungen.

Thomas: Wir wollten ja auch kein Album machen, dass komplett glattgebügelt in einem Stil ist. Es ist eine Bewegung drin und es ist wie eine kleine Reise. Es hat auch viele verschiedene Stimmungen.

Ruud: Am Anfang wussten wir ja noch nicht, wo es hingeht oder wie die Songs klingen werden. Jetzt am Ende ist richtig eine Einheit daraus geworden. Man muss die Platte auch wirklich von Anfang bis zum Ende durchhören.

Thomas: Es ist halt ein richtiges Album, das hat einen Spannungsbogen, einen roten Faden. Das kann man so an einem Stück genießen – wie man das auch vor 30 Jahren gemacht hat: Man kauft sich ein Album, legt das auf, dann setzt man sich auf die Couch und dann hört man einfach.

Diese Einheit, findet sich diese auch im Albumtitel wieder? Ist „Put Your Head On My Shoulder“ der thematische Zusammenschluss von diesem Gesamtwerk?

Guillermo: Das ist ein Paul-Anka-Zitat. Ich habe viel Paul Anka gehört, damals, als die Welt noch in Ordnung war, als Kind. Dieser Song begleitet mich seitdem immer. Da das Album selbst eher düster ist, habe ich mir gedacht, da passt etwas Tröstendes als Titel.

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?

Thomas: Wir hoffen, dass jetzt ein paar Leute erfahren, dass wir ein Album gemacht haben. Im November/Dezember haben wir eine Tour geplant, dann im nächsten Jahr im April/Mai. Vielleicht schaffen wir es ja auch, dass wir als Support für eine größere deutsche Band auftreten können, da sind wir auch gerade dran.

Ruud: Erst einmal ganz viel spielen. Nächstes Jahr sind wir hoffentlich bei ein paar Festivals dabei. Und dann vielleicht irgendwann wieder einmal etwas Neues aufnehmen. Wir sind jetzt erst einmal froh, dass die Platte draußen ist und freuen uns wahnsinnig darauf, das herzuzeigen.

JZ

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