Am Abend des 23. März sprach der Wiener Philosoph Philipp Schaller beim Philosophischen Café in der Innsbrucker Kulturbackstube Die Bäckerei über das Begriffspaar „Körper und Geist“. Er eröffnete damit die Diskussion philosophischer Gegensätze, die in diesem Frühjahr den Schwerpunkt des Philo*Cafés bildet. Welche Berührungspunkte gibt es zwischen verschiedenen philosophischen Gegensatzpaaren und welche Unklarheiten zeigen sie auf? Schaller lud in seinem Vortrag dazu ein, über das sogenannte „Leib-Seele-Problem“ nachzudenken und zu fragen: Wie wird es in der modernen und gegenwärtigen Philosophie behandelt? Welche Erkenntnisse und Irrtümer können exemplarisch aus der Lektüre René Descartes’ und Immanuel Kants herausgefiltert werden? Und welche Relevanz haben diese für die philosophische Beschäftigung mit der Frage, was und wie wir erkennen, erfahren, empfinden und denken?

Das Problem mit Leib und Seele
Das „Leib-Seele-Problem“ verweist auf eine Unklarheit darüber, was unter den Begriffen „Körper“ oder „Leib“ und „Geist“ beziehungsweise „Seele“ zu verstehen ist. Die Folge dieser Unklarheit ist eine große Breite an Ansätzen und Überlegungen. Nicht zuletzt verbinden sich mit der Frage nach Körper und Geist zwei zentrale philosophische Zugänge: die ontologische Frage nach dem Seienden und die erkenntnistheoretische Frage, wie sich das Seiende erkennen lässt. René Descartes definiert den Körper in seinen Meditationes de prima philosophia als „ausgedehnte Sache“, als res extensa; der Geist hingegen sei als Akt unseres Denkens, Empfindens, Fühlens, Vorstellens und Wahrnehmens die „denkende Sache“, res cogitans, die gerade in ihrem Vollzogenwerden besteht. Was die Frage des Erkennens betrifft, so unterscheidet Descartes zwischen der zunächst ungewissen Körperwelt, die – wenn nur radikal genug gezweifelt wird hypothetisch stets dem Zweifel unterliegt, und der Ausübung des Denkens, an der sich schlechterdings nicht zweifeln lässt und die, so Descartes, letztlich der Körperwelt ihre Gewissheit zurückgibt.
Descartes‘ Irrtum
Nun kommt es aber zu einem, wie Schaller argumentiert, folgenschweren Irrtum Descartes’, der in seiner Tiefe begriffen werden muss, um ihm nicht selbst zu erliegen. Descartes zieht aus seinen erkenntnistheoretischen Überlegungen, wonach wir uns als denkendes Wesen bewusst werden, noch ehe wir uns der Existenz unseres Körpers gewiss sind, den Schluss, dass der Geist ein eigenständiges Ding sein müsse. Er behauptet, im Schluss des Selbstbewusstseins „ich denke, also bin ich“ eine eigene Substanz des Geistigen erkannt zu haben, an dessen Existenz nicht gezweifelt werden kann und die, anders als ein Körper, nicht ausgedehnt ist. In dem Moment aber, in dem Descartes nun die Körperwelt von ihrem methodischen Zweifel befreit, gerät er in die Verlegenheit, die verdinglichte Substanz des Geistigen in ein objektives Verhältnis zu ihr setzen zu müssen. Dabei werden zuvor angezweifelten religiösen und mythischen Prämissen Tür und Tor geöffnet.
Schaller vertritt die Position, dass viele Philosoph:innen innerhalb der sogenannten „Philosophie des Geistes“ selbst Descartes’ Irrtum erliegen, wenn sie – wie er – annehmen, dass sich die Frage, was Geist ist, auf Grundlage unseres Wissens über den menschlichen Körper beantworten lassen muss. Vielmehr sei aber die Frage selbst verfehlt und Descartes’ Antwort darauf weder wahr noch falsch, da es sich um keine wissenschaftliche und überprüfbare Hypothese handle.
Kants Kritik des menschlichen Erkenntnisvermögens
Immanuel Kant erkannte Descartes’ Irrtum der Verdinglichung des Geistigen. In der Kritik der reinen Vernunft entwickelt er einen transzendentalen Ansatz, der nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung fragt und sich sowohl vom Rationalismus Descartes’ als auch vom strengen Empirismus David Humes unterscheidet. Humes Skeptizismus widerspricht er, indem er darlegt, dass es „gewisse Akte des Denkens“ gibt, „die unsere Erfahrung überhaupt erst bedingen und ermöglichen“. Hume unterschätze diese „reinen Denkakte“, die – als intellektueller Vollzug und Ausübung – in „reiner Aktivität“ und „Spontaneität“ ständig damit beschäftigt sind, unsere Sinneseindrücke zu verarbeiten. Dabei ist dieser Denkakt aber – und hier setzt sich Kant von Descartes ab – immer nur das subjektiv Bestimmende des Erkennens, der Vollzug unserer Möglichkeit, von etwas zu wissen, niemals aber zugleich das objektiv Bestimmte. Deshalb ist es, so fasst Schaller zusammen, „nicht gerechtfertigt zu urteilen, dass da ein Ding existieren müsse, dem sich diese Denktätigkeit zuschreiben lässt, welches dann, im Unterschied zu allen übrigen Gegenständen unseres Erkennens, nicht materiell und kein Körper wäre, sondern immateriell und damit eine ‚Seele‘ oder ein ‚Geist‘“.
Halte- und Wendepunkte
Mit der scherzhaften Metapher eines Kinderkarussells kritisiert Schaller schließlich die Debatte, die innerhalb der Philosophie des Geistes geführt wird. Ihre Teilnehmer:innen wetteifern in den unechten Fortbewegungsmitteln des Karussells miteinander, als Erste:r an ein Ziel zu gelangen, das es doch in Wirklichkeit gar nicht gibt. Niemand setzt sich von den anderen ab, ihre Bewegung führt stets nur im Kreis und somit nirgendwohin, solange es sich bei dem Streit, den sie führen, um ein widersinniges Anliegen handelt.
Wo aber, so kann gefragt werden, liegen denn nun die Aufgaben einer Philosophie des Geistes? Wird ihr Ungenügen, wie Schaller vorschlägt, in der problematischen Tendenz zur Vergegenständlichung ausgemacht, wie hat dann die weitere philosophische Beschäftigung mit Körper und Geist auszusehen und wo kann angesetzt werden? Welche Hinweise, Halte- und Wendepunkte offenbart eine beständige Kritik der Philosophie des Geistes? Werden Körper und Geist, wie Kant darlegt, als zwei Modi des Erkennens interpretiert, welche Methode könnte dann angemessen sein, den „geistigen Vollzug“ zu erforschen und welche Rolle kann eine philosophische Betrachtung des (historischen) Körpers und Körperwissens spielen?
| Paul Heidegger
Kurzbios
Paul Heidegger
ist Masterstudent an den Instituten für Musikwissenschaft und Philosophie der Universität Innsbruck.
Philipp Schaller
ist Doktorand an der Universität Wien und forscht zur ethischen Rivalität
zwischen Philosophie und Literatur.
Das nächste Philosophische Café findet am 20.04. mit Nadja Neuner-Schatz (Innsbruck) zum Thema „Der Mensch und das Tier“ statt.