LITERATUR|Betrieb unter vier Augen: Im Gespräch mit RAMONA POHN

Alles auf der Welt ist ständig in Bewegung, doch denken die meisten Menschen Literatur vor allem als geistige Rotation. Kulturvermittlerin Ramona Pohn konnte diese Seite mit jener des Körpers vereinen. Mit komplex hat sie über ihre Leidenschaft, therapeutisches Tanzen, gesprochen.

Wir treffen uns über Zoom. Das ist einfacher, denn an jenem Winterabend befindet sich Ramona Pohn in Oberösterreich. „Heimaturlaub“ nennt sie ihren Aufenthalt liebevoll, obwohl sie mittlerweile in Tel Aviv wohnt und dort auch angekommen ist. Doch ist Österreich niemals vergessen. Sie vergleicht das Verhältnis der beiden Heimaten mit einer Wendejacke. Wenn eine Seite sichtbar ist, ist die andere zwar nicht oben, aber doch vorhanden. Ein Bild, das das Leben der Kulturvermittlerin insgesamt zu prägen scheint, hat sie doch schon immer mehrere Teile zu einem Ganzen zusammengefügt.

Im Tiroler Literaturbetrieb zählt die gebürtige Oberösterreicherin zu den Berühmtheiten, denn sie hat bereits zahlreiche Bühnen bereichert und Projekte mitgestaltet. Bei Freirad war sie die erste Praktikantin und 2018 hat sie gemeinsam mit Sarah Caliciotti die legendäre Lesung der Rapperin Sookee für das Literaturhaus am Inn organisiert. Bei der Erinnerung muss Pohn lächeln: „Es war so cool. Ich glaube, dass das Literaturhaus noch nie so voll war.“ Eigene Bühnenerfahrung hat sie vor allem durch Poetry Slam gesammelt und schließlich auch die Lesebühne Frau Herrmanns Katerstrophen 5000 mitgegründet. Und das alles neben den Studien der Germanistik und der Vergleichenden Literaturwissenschaft, die sie mit einer Masterarbeit über Performance Art an der Mauer, also an der Grenze zwischen Palästinischem Territorium und Isreal, abschloss. Das Thema wählte Pohn nach ihrem Auslandssemester in Isreal – und jenes ebnete ihr auch den Weg zu ihrem jetzigen Leben in Tel Aviv. 

Als Pohn erfährt, warum sie die Anfrage der komplex-Serie „[LITERATUR]Betrieb unter vier Augen“ erhalten hat, lacht sie erst einmal überrascht: „Cool! Ich dachte, ich wurde wegen des Lektoratsprogramms gefragt, weil das das Klassische ist, was man nach dem Komparatistik-Studium machen kann.“ Schließlich wurde sie vom OeAD, der Agentur für Bildung und Internationalisierung, entsandt, um im Ausland Deutsch zu lehren sowie Länderkunde und Kultur zu vermitteln. Doch hat sich Pohn auch hierbei eine zweite Linie gesucht, die sie gleichzeitig verfolgt und glücklicherweise mit dem Lektorat gut vereinbaren kann, da dieses sehr offen für Weiterbildung ist. 

Seit ungefähr einem Jahr setzt sich Pohn nun im Selbststudium mit therapeutischem Tanz auseinander. Vergangenen November besuchte sie schließlich ihren ersten Kurs bei dem kanadischen Institut „The Movement Arc“ und merkte schnell, dass es genau das ist, was sie machen möchte. Doch hatte sie im ersten Moment auch Zweifel, denn die Kurse finden mithilfe von Zoom statt und sie konnte sich nicht vorstellen, dass das klappt. Ihre Sorge war jedoch unbegründet: „Es funktioniert so gut und ich bin unendlich dankbar, weil ich so mit diesen großartigen Trainerinnen und Trainern zusammenarbeiten kann. Das wäre sonst nicht möglich.“ 

Die Fortbildungswochenenden verbringt Ramona Pohn somit tanzend vor dem Laptop – oder besser gesagt: die Nächte dieser Wochenenden. Denn es hat sich herauskristallisiert, dass die Technik eine Chance ist und die Zeitverschiebung die eigentliche Herausforderung darstellt. „Es ist schon anstrengend, aber wenn man etwas will, findet man die Energie“, erklärt Pohn, die nun auch selbst ein Programm etabliert hat, um das Gelernte auszuprobieren. Es nennt sich „Expressive Movement“ und findet jeden Montagabend auf ihrem Rooftop statt. 

Im Zentrum dieser Sessions stehen wieder zwei Teilbereiche: Bewegung und Begegnung. Vorschriften, Tanzschritte und Stilbewertungen dürfen nicht mitmachen. Viel mehr geht es darum, einfach zu sein. „So zu sein, wie man ist, das ist schon so viel“, sagt Pohn, die, wie auch damals bei der Lesebühne Frau Hermanns Katerstrophen 5000, einen intermedialen Fokus legt. Zu ihren Lieblingsmethoden zählt somit die Verknüpfung mit dem Schreiben. So können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „Dance Poems“ versuchen und so Wörter mit Körperausdrücken verbinden. Häufig bringt Pohn auch Gedichte mit oder lässt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ein Journal schreiben. Die Einheiten sind schließlich auch mit Themen verbunden. „Meist baue ich da Dinge ein, die mich selbst beschäftigen“, sagt sie. 

Doch geht es nicht nur um Movement. Auch die Begegnung spielt eine ganz wesentliche Rolle. Schließlich bringen Pohns Sessions die unterschiedlichsten Menschen zusammen – die meisten davon sind Fremde. „Ich bin dann immer so gerührt, wenn sich die Menschen am Ende der Stunde ganz anders bewegen und anders ansehen“, sagt sie und fügt hinzu: „Denn da ist einfach klar: Sie kennen sich zwar immer noch nicht, aber sie haben gerade wirklich viel gemeinsam erlebt.“ 

Wenn man sich mit Pohn unterhält, weiß man sofort, dass das eine Person ist, die das Leben feiert und jeden Tag genießt. Und zu so einem Lifestyle gehört Sport natürlich dazu. Wahrscheinlich macht Pohn deshalb so viel, was lebensbejahend ist und Adrenalin befeuert. Mit anderen Worten: Dafür sorgt, dass Mensch sich wirklich spürt. Und von wem würde man sich lieber durch das Abenteuer Expressive Movement führen lassen, als von einer solchen Lebenskünstlerin. 

| Christina Vettorazzi

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