LITERATUR|Betrieb unter vier Augen: Im Gespräch mit Lisa Koller

Dramaturgie? Noch nie gehört? komplex hat mit Dramaturgin Lisa Koller vom Tiroler Landestheater über ihre Arbeit gesprochen. 

Lisa Koller | Bild: Christina Vettorazzi

„Es ist alles und alles“, sagt Lisa Koller mit leicht gerunzelter Stirn, als sie auf ihre eigene Berufsbeschreibung zurückblickt. Der Iced Coffee ist mittlerweile leer. Beinahe zwei Stunden sind seit dem Beginn des Gesprächs vergangen, das eigentlich auch private Themen abdecken sollte, sich bisher allerdings nur auf die Arbeit der Dramaturgin konzentriert hat. 

Dabei begann das Treffen mit einer Unterhaltung über Kollers Reisepläne. In ein paar Tagen fährt sie in die Normandie, um sich dort vom fordernden Arbeitsalltag zu erholen. Acht Wochen hat sie dafür insgesamt Zeit. Was sie auch braucht, denn die Arbeit am Tiroler Landestheater ist ein Fulltime-Job, der körperlich und geistig anstrengend ist. So verbringt sie ihre Tage wahlweise damit, bei Proben anzupacken, sich mit den Künstler*innen über kommende Projekte zu unterhalten oder den Kopf in Recherchematerialien zu vergraben. Langweilig wird es dabei offensichtlich nicht, denn allein in der kommenden Spielzeit betreut Koller sechs Stücke. 

Doch was macht eine Dramaturgin eigentlich genau? Als Koller diese Frage hört, antwortet sie ohne zu überlegen: „Wow, wahnsinnig viel.“ Man merkt sofort, dass sie für ihre Arbeit brennt. Kaum merklich richtet sie sich auf, holt Luft und beginnt zu erzählen. Dabei unterstreicht sie jedes wichtige Wort mit einer Geste ihrer Hand. 

Zuerst geht es darum den Spielplan zu gestalten. Dabei gibt es eine Phase des Lesens und Recherchierens, in der das Team Stücke, Verlagsprogramme, Festival- und Spielpläne anderer Häuser sichtet. Koller nimmt das „Suhrkamp Theater Magazin“ von einem Stapel und sucht den Raum, der kaum arbeitsbedingte Unordnung aufweist, nach anderen Vorschauen ab. Währenddessen erklärt sie: „Im Sommer müssen wir immer aufräumen. Normalerweise sieht es hier ganz anders aus.“ 

Lisa’s Arbeitsplatz | Bild: Christina Vettorazzi

Kein Wunder, denn neben der Spielplangestaltung schreibt Koller noch Texte für die Programmhefte, recherchiert Fakten für Materialmappen, begleitet Proben, überarbeitet Künstler:innenbiographien, präsentiert erklärende Einführungen vor den Vorstellungen, organisiert Matineen und füllt einen Podcast. Außerdem lektoriert sie die Texte ihrer Kolleg:innen, steht in Kontakt mit den Verlagen, schreibt Übertitel für Opern, moderiert Klassenzimmergespräche, kümmert sich um Kooperationen – u.a. mit der Wagner’schen – und verteilt Rosen bei Premieren. Nach dieser Aufzählung sitzt sie für einen Moment schweigend auf ihrem Stuhl und überlegt, ob sie nicht vielleicht doch etwas vergessen hat. Aber scheinbar nicht. So sagt sie nickend: „Ja. Es ist alles und alles.“ Sehr abwechslungsreich. Sehr vielseitig. Sehr anspruchsvoll. „Ich liebe es. Vor allem im Haus herumzulaufen und mit den Künstlerinnen und Künstlern zu sprechen. Das ist so schön“, sagt sie. Und schon wieder ist da dieses Funkeln in ihren Augen. 

Dass das Privatleben bei so einem Beruf manchmal zurückstecken muss, ist für sie offensichtlich kein Problem. Sie ist ohnehin mit vielen Menschen befreundet, die im selben Haus arbeiten. Da lässt sich alles irgendwie verbinden und in die Nacht verlegen. Für Frühaufsteher:innen ist diese Stelle nämlich nicht gemacht. Schließlich arbeitet Koller auch abends, da sie bei Aufführungen anwesend ist. Dafür muss sie meistens erst um zehn Uhr am Morgen im Theater sein. 

Erst am Ende dreht sich das Gespräch schließlich um Kollers Biographie. Sie ist in Hall geboren, aufgewachsen in Telfs, dann in Rom und kam kurz vor der Matura wieder nach Tirol. Dort studierte sie zuerst Wirtschaftsrecht, dann Volksschullehramt und dann Komparatistik. Die Literaturwissenschaft musste somit auf den Punkt warten, an dem Koller entschied: „So jetzt habe ich sicher einen Job. Jetzt mach ich etwas, wo Leute sagen: Da wirst Taxifahrerin.“ Dabei wusste sie schon mit 14 Jahren, dass sie „etwas mit Literatur machen will“. Und zwar in dem Moment, als Roberto Benigni die ersten Sätze der „Göttlichen Komödie“ auf einer Bühne in Rom vortrug. Der Lebensweg war damit vorgezeichnet. Wohin die Reise geht, wird sich zeigen. Bestimmt erlebt das Theater noch viel mit und durch Lisa Koller. Und darauf können sich vor allem die Besucher:innen des Tiroler Landestheatersfreuen. 

| Christina Vettorazzi

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