FREIRAD dreht auf – und lässt DICH zu Wort kommen

Sich Gehör zu verschaffen ist bei der auf uns einprasselnden Flut an Informationen nicht immer
einfach. Der Innsbrucker Radiosender FREIRAD, der heuer sein 20-jähriges Bestehen feiert, kontert. Indem er in Nischen marginalisierter Bevölkerungsgruppen fischt und ihnen den gebührenden Platz gibt, um lautstark in die Welt zu rufen. Und so wird Radio endlich seiner Bestimmung gerecht: Als ein allen zugängliches, offenes Medium, das durch die Diversität der Gesellschaft selbst ihr buntes Antlitz versehen bekommt.

FREIRAD feiert 20 Jahre | Bild: Freirad

Moment… Ertönt da nicht die Stimme meiner Bekannten im Radio? Noch dazu in einer von ihr initiierten Sendung? FREIRAD macht´s möglich selbst on air zu gehen und lässt von einer Gesellschaft träumen, die niemanden ausklammert und allen Menschen, die auf welche Art auch immer etwas loswerden wollen, eine unüberhörbare Plattform bietet. „Von Unterhaltungssendungen und Buchbesprechungen über Aktionismus bis hin zu Musikprogrammen von Menschen mit Schallplattensammlungen, die ganze Wohnzimmer füllen. Wir sind so facettenreich wie nur irgendwie möglich“, betont Bettina Lutz als Geschäftsführerin von FREIRAD.

Sowie die freie Meinungsäußerung ein allgemeines Menschenrecht ist, sucht der heuer das 20-jährige Jubiläum feiernde freie Radiosender nämlich alle Ecken auf, die noch stumm geblieben sind, mit dem Anspruch, diese mit voller Wucht erschallen zu lassen. Schluss mit Marginalisierungen. FREIRAD scheint ein grenzenloses Feld an den Rand gedrängter Gesellschaftsgruppen, die endlich gesellschaftspolitisch laut werden und sich mit voller Stimme erheben können. Einem Sprachrohr gleich, wird hier all jenen Menschen ein Mikrofon in die Hand gereicht, deren Stimme sonst unterzugehen droht: „Ihnen wollen wir mehr Mitsprache in der Öffentlichkeit einräumen, denn gerade das macht Demokratie aus“, betont die geschäftsführende Leitung, die mit ihrem Team und der Bevölkerung gemeinsam Minderheitenperspektiven sichtbar machen will. Nicht zuletzt ist FREIRAD damit Abbild dessen, was in der Gesellschaft schlummernd darauf wartet, geweckt zu werden und im Radio-Mainstream kaum Bühne bekommt, sich zu entfalten. Paradies und Unruhestifter für das Gemeinwohl in einem, könnte man überspitzt behaupten. Denn so gesellschaftskritisch das Programm anmutet, so inklusiv arbeitet das Team.

on air | Bild: Alena Klinger

Die Besonderheit bei FREIRAD ist der offene Zugang zum Radio für uns alle. Nach einer Basisausbildung und Einschulung kann hier nämlich jeder und jede Interessierte mit seiner Idee in Abstimmung mit dem Team direkt auf Sendung gehen. Fernab von Kommerz, Parteilichkeit, Werbefinanzierung wohlgemerkt. Und unabhängig von Vorkenntnissen und journalistischen Kompetenzen. Die Intention des freien Innsbrucker Radiosenders, der über seine Frequenz hinausstrahlen möchte, ist es, auf die unzensierte Meinungsäußerung zu pochen und auf diese Weise die Medienlandschaft mit Stimmen der Bevölkerung zu bereichern. Dabei ist es ganz einerlei, ob die Sendungen in Farsi, Deutsch, Kurdisch oder Englisch gehalten werden. Obwohl nicht ganz, denn die unterschiedlichen Stimmen machen den Sender nur noch bunter als ohnehin schon. Ist es nicht ganz im Sinne der Demokratie, auf das zu bauen, was die Gesellschaft in ihrer Pluralität zu sagen hat? Statt Einwand, Zensur und starrer Richtschnur blickt man hier lieber auf Partizipation und Gemeinschaftlichkeit und lässt dem mitgestaltenden Publikum seinen Freiraum. Wodurch die ehrenamtlichen Radiomacher:innen aus dem Publikum auf eine Ebene mit dem Expert:innenteam gehoben werden. Bei FREIRAD sind alle gleich relevant, was sich im Konzept wie auch im Spielplan widerspiegelt:

„Es ist fast ein Novum, Medien zu konsumieren, die nicht zeitgleich geprägt sind von Werbeeinschaltungen. Gewissermaßen streben wir auch gegen Dinge, die alltäglich geworden sind“

so Lutz, die den Sender als Art Kontrastprogramm zum bestehenden kommerziellen Angebot sieht. Ein Gegenpol, der besonders in Zeiten wie diesen bitter nötig scheint. FREIRAD blickt dorthin wo der Kampf gegen Diskriminierung beginnt: Nämlich in der Auswahl und im zu Wort kommen lassen von Menschen mit ihren vielfach ungehörten Themen. 

So selbstverständlich war es nicht immer. Der Facettenreichtum von FREIRAD musste ebenso wie der Sender selbst hart erkämpft werden, um schließlich nach einem wahren Kraftakt im Jahre 2002 überhaupt erst legal auf Sendung gehen zu dürfen. Kaum vorstellbar, doch das staatliche Rundfunkmonopol untersagte bis in die 1990er Jahre die Ausstrahlung selbstständiger Radiosender fernab des staatlichen ORF. Die seit jeher über die Frequenz hinausstahlen wollenden Aktivist:innen der Pirat:innenradioszene wehrten sich mit Händen und Füßen gegen demokratiepolitisch äußerst fragwürdige Gesetz und brachten es letztlich 1993 zu Fall. Der Weg zum eigenen, unabhängigen „Freien Radio Innsbruck FREIRAD“ war geebnet, wenngleich es noch knapp 10 Jahre dauern sollte, um die erste legale Ausstrahlung am Franziskanerplatz feiern zu können. Seither ist FREIRAD im Großraum Innsbruck auf 105,9 zu empfangen und erweiterte sich sukzessive. Den Raum von Völs bis Telfs (106,2) und Hall bis Schwarz (89,6) miteinbeziehend, strahlt der Sender mit seinen Botschaften heute von der Landeshauptstadt hinaus bis weit hinein in die Täler Tirols und lässt im wahrsten Sinne des Wortes niemanden nachhinkend zurück.

FREIRAD Foyer | Bild: Alena Klinger

Auf diese Vorarbeit baut FREIRAD auch heute noch, lässt sie nicht außer Auge und führt sie fortwährend weiter, sodass das in den letzten Jahren vielleicht gemeinhin etwas eingerostete Medium Radio plötzlich wieder zeitgemäß wird: „In diesem Sinne verfolgen wir einen sehr politischen Anspruch für den Erhalt von Demokratie und gegen jegliche Diskriminierung wie Rassismus und Sexismus“, so Lutz, die auch einen kurzen Einblick in das umfassende Programm von FREIRAD gibt:

„Neben selbst initiierten Projekten, in welchen wir zur Teilhabe aufrufen, sind unsere Radiosendungen im freien Zugang von den Menschen aus der Bevölkerung gestaltet. Aktionen zu feministischen Themen wie beispielsweise ’16 Tage gegen Gewalt an Frauen‘, ‚Feminismus ist für jede:n‘ oder ‚aufdrehen gegen Gewalt‚ sind ebenso wie Programme von marginalisierten Gruppen wie eine Sonderaussendung zum Tag der Menschen mit Behinderung, Hauptbestandteil.“

Lebendig wird dieses durch brandheiße gesellschaftskritische Diskussionen, dem Einbringen von Alltagserfahrungen von Betroffenen, sowie immer neuen Ideen und Formaten. So sitzt das Team hinter dem freien Radio auch im Jubiläumsjahr nicht still und ließ bereits mit einem großen Festprogramm wie einer 20 Tage andauernden Tour durch Innsbruck in den Sommermonaten Juni und Juli aufhorchen. FREIRAD wird auch nach 20 Jahren unermüdlichem Engagement nicht leise und das zurecht. Denn die Gesellschaft mit all ihren Problemen und Sorgen muss gehört werden und nicht nur ein auserkorener, privilegierter Teil davon. In diesem Sinne leistet das aus der klassisch-normativen Medienlandschaft ausscherende freie Radio aus Innsbruck wahre Pionierarbeit. Da der Weg zur bedingungslosen gesellschaftlichen Akzeptanz endlos scheint und Tag für Tag erneut verteidigt werden muss, setzt FREIRAD unermüdlich Aktionen, um bis hinein in die verstecktesten Winkel zu strahlen: „Gleichberechtigung und Demokratisierung sind und bleiben unsere Eckpfeiler“, betont Lutz dahingehend. Kein Zweifel: FREIRAD setzt Akzente, die hin zu einer anerkennenden, zuhörenden und vor allem einander respektierenden Gesellschaft führen. Und hierarchischem Denken die kalte Schulter zeigen.

| Florian Gucher

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