Mit bezaubernden Märchenerzählungen hat untangled wounds, ein Werkkomplex, der noch bis zum 2. April 2023 die Art Box des Klocker Museums (Hall in Tirol) bespielt, kaum etwas zu tun. Hinter der von der diesjährigen Stipendiatin Veronika Abigail Beringer entworfenen Sagenwelt öffnet sich unverblümt die Realität des Lebens. Die in Tirol geborene Künstlerin entwirrt emotionale Verletzungen durch Ablehnung und spielt mit einer widersprüchlichen Mehrdeutigkeit eines alltäglichen Gefühls. Nicht zuletzt zeigt sie, dass uns Zurückweisung im Leben öfter trifft als gedacht.

Erstmals in die Art Box des Klocker Museums nicht nur von außen einsehbar, sondern begehbar. Die Künstlerin Veronika Beringer hat sich etwas Besonderes einfallen lassen. Ins Zentrum rücken nicht zuletzt wir selbst, weil Ablehnung, das grundsätzliche Thema der Schau, geradezu Involviertheit bedingt. Am Beginn steht dann der differente Umgang mit Verweigerung: Verteilt am Boden kauern zu diesem Zwecke winzige Gestalten, in ihre glatte Oberfläche schreiben sich Bruchstellen in Form kleiner Risse und Verwundungen ein, die von der Außenperspektive nicht gleich ersichtlich, aber schlagend, sind. Einer Figur fehlen zum Beispiel die Beine, die andere stützt zusammengesackt in sich den Rücken an die Wand, eine Dritte wiederum lehnt sich (zu weit) aus dem Fenster.
Veronika Beringer versucht eine ganze Bandbreite davon zu zeigen, wie Individuen mit den Folgen von Ablehnung umgehen. Ganz gleich ob abgewiesenes Bewerbungsgespräch oder eine Trennung nach langjähriger Beziehung – jede:r hat es schon selbst erlebt, menschliche Krisen sind omnipräsent. In der Art Box werden wir nun Zeug:innen davon. Wiewohl das Grundgefühl von Abweisung ähnlich scheint, variiert der Umgang jedes Individuums mit diesem misslichen Gefühl. Beringer spielt in diesem Zusammenhang mit Irritationsmomenten: untangled wounds lässt leicht ins Stocken geraten, weil Form, Material und Inhalt einander widersprechen und dann doch wieder einhergehen. Man nehme alleine die Atmosphäre der Örtlichkeit selbst und der ihr innwohnenden Objekte. Es scheint, als ginge man durch eine Märchenwelt, würde sich die thematische Tiefe nicht gegen all die Trivialität, allen Kitsch wenden. Noch dazu ist es gerade die Enge und Begrenztheit des Raumes der Art Box, sowie sie bedrückend, ja bedrohend wirkt, macht sie Ablehnung und Verweigerung als emotionales Gefühl erlebbar.

In der zweiten Position kommt die metaphorische Ebene dazu: Der Blick haftet an ein an der linken Wand zentral hängendes Quilt, auf dem eine Burgdame als Person of Colour dargestellt ist. Die Dame ordnet sich äußerlich dem klassischen Bild der Märchenfigur ein und widerspricht ihm gleichzeitig, weil sie sich alternativ zeigt. Untrennbar mit ihr verbunden ist ein Netzgeflecht mit einem Korb unter dem sich ein gestikulierender Verehrer um seine Begehrte bemüht. Dieses Bild hat es in sich, basiert es doch auf eine mittelalterliche Illustration aus Liederhandschriften, die als Kind ihrer Zeit durchaus schräg anmutet, war es in diesem Fall doch die Frau als aktive Person, die die Fäden in den Händen hält. Lehnte sie den Liebesgott ab, fiel dieser durch den Korb hindurch, der ihn nach oben verfrachtet hat, woraus das heute bekannte Sprichwort „jemanden einen Korb geben“ resultiert. Eigentlich müsste es „durch den Korb fallen“ heißen. Schon das ist ein Paradoxon, das in der Ausstellung nicht isoliert auftaucht. Wenngleich dieses Bild vom Humoristischen durchzogen ist – auch das eine Grundtendenz der Künstlerin – wird den Betrachter:innen bei der Vorstellung des Ablehnungsgestus doch etwas flau im Magen. Womit wir bei shrine of rejection wären, ein links an die Korb-Netz-Installation angrenzendes Wandobjekt, wie es den Begriff der Ablehnung durch die Herausstellung der psychologischen Dimension erweitert. Die auf einen Podcast namens „The Tarot Diagnosis“ basierende Arbeit besteht aus drei Bildnissen, beginnend mit dem absoluten Streben nach Liebe in „Die Liebenden“ über „Die Welt (auf dem Kopf stehend)“ als Kontrollverlust hin zu den „Acht der Münzen“, einer Darstellung aller Komplexität, aus dem eigenen Loch wieder raus zu kommen:
„Es stellt sich als schwierig heraus, über Lösungen zu sprechen, wenn sich etwas in unserem Leben grundlegend verändert hat. Sowie man sich bei einer Jobabsage oder Trennung zunächst als die abgelehnte Person wahrnimmt, ist es in weiterer Folge wichtig über die Gründe zu reflektieren und die Kontrolle über das eigene Narrativ zu finden. Dieses Tryptychon geht diesen Weg bis hin zum positiven Blick in die Zukunft nach“,
so die Künstlerin. Die Arbeit lässt an Tarotkarten denken, als verworrene Jonglage mit Glück und Schicksal zwischen fremder und eigener Hand.
Veronika Beringer mag das Spiel mit Paradoxa, das zeigt sich darin, wie sie Begriffe und ihre Sinnzusammenhänge von mehreren Seiten aus betrachtet, ja umdreht und immer weiterspinnt auf andere, selten bedachte Ebenen. Gedankenfetzen und einzelne Motive ergeben intuitiv neue Themenkreise. Ihr gefällt das Widersprüchliche, nicht immer Offenkundige, Merkwürdige, Schräge und Sinnverstörende. Das künstlerische Spiel mit dem Spruch „jemanden einen Korb geben“ ist geradezu Beispiel dafür, ist es doch ein Ineinandergreifen mehrerer Ebenen und von Verflochtenheit durchsetzt. Die Kunstschaffende geht einen Schritt weiter, sie lässt Bedeutungsebenen nicht alleine nebeneinanderstehen, sondern bringt sie untereinander und mit dem Publikum in Dialog. Zudem baut sie gerne auf vorangegangene Arbeiten und Werkkomplexe auf. Körbe und Netze – sie ziehen sich in ihrem Kunstschaffen in verschiedener Ausprägung durch – bettet sie in neue Zusammenhänge ein, wobei sie nach Beschäftigungen aus immer neuen Blickwinkeln sucht, weil sie dem Experiment nicht abgeneigt ist:
„In Zusammenhang mit diesem emotionalen Thema der Ablehnung war es mir schnell klar, dass meine Arbeit in die Dreidimensionalität gehen werde und ich den Raum erkunden möchte, auch weil es eben diese Enge der Art Box ist, die untangled wounds entgegenkam“,
betont Beringer. Was dann doch überrascht ist die Breite des Feldes, die sie mit dem Begriff assoziiert und anstupst. Die reicht dann ausgehend von der befremdlich, aber noch harmlos wirkenden Redewendung „jemanden einen Korb geben“ über Konflikte im Inneren des Menschen und der Schnittstelle zwischen Leben und Tod bis hin zu den Femiziden in Österreich durch gekränkte Ex-Männer als Extrema. Auch das psychologisch eine nicht minder verurteilbare Selbstabwehr des emotionalen Schmerzes, der sich bis in die Ebene der Gewalttat verlagert. So geht Beringers Arbeit wie von selbst vom Privaten in politisch-öffentliche Räume und macht Diskurse auf, die allgemeingültig sind.

Mit ihren künstlerischen Methoden ist Veronika Beringer für Räumlichkeiten wie die Art Box im Klocker Museum interessant: „In diesem schwer bespielbaren Raum lassen sich nicht einfach Dinge hinhängen, man muss eine Struktur oder ein Narrativ, eine Erzählung haben, um diese Örtlichkeit zum Klingen zu bringen“, erklärt die Geschäftsführerin des Klocker Museums, Lena Ganahl. Mit Blick auf die Ausstellung lässt sich von einem Optimum der Reduktion sprechen – doch mit Tendenz zum Widerspruch. Beringer schafft mit Wenigem, aber durchaus Aufwendigem ein Geflecht an Themen, Problemen und Herausforderungen anzusprechen und setzt diese in Bezug mit Bedingungen des Raumes selbst. Von außen durch die großen Fenster von weitem sichtbar, bleibt vieles unsichtbar, bis der Blick zum Detail, zum Inneren vordringt. Die psychisch-sozialen Folgen von Ablehnung sind vordergründig nicht augenfällig, sie liegen verborgen und müssen zum Sprechen gebracht werden.