Ende dieser Woche, von 22.-24. März, nimmt die DIAMETRALE-(Film)Festival für Experimentelles und Komisches zum wiederholten Mal Anlauf in Innsbruck und startet in ihrem zweiten Jahr gleich mit einem dreitägigen Programm (plus Warm-Up am 3. März) durch. Die DIAMETRALE darf sich nicht nur als Österreichs einziges Experimentalfilmfestival betiteln, sondern weist mit ihrem humoristischen Ansatz einen Schwerpunkt auf, der seinesgleichen sucht.
Natürlich stellen wir uns als begeisterte Filmfestivalbesucher*innen die Frage, wie es denn dazu gekommen ist, dass dieses experimentelle Festival mit Pioniercharakter gerade in Innsbruck seinen Standort gefunden hat. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat komplex die beiden Initiatoren des Festivals, Marco Trenkwalder und Judith Salner, am Sonntagnachmittag in ein Gespräch verwickelt, welches ihr in gekürzter Fassung hier nachlesen könnt:
„Ich wollte nicht nur in eine andere Richtung, sondern in die entgegengesetzte Richtung“ – zu den Anfängen der DIAMETRALE
k: Erstmal zurück zur ursprünglichen Idee: Wie ist die DIAMETRALE entstanden? Was war euer Anliegen?
M: Angefangen hat es mit unserem experimentellen Film „Ein närrisches Stummfilmmärchen“, an dem wir selbst vier Jahre gearbeitet hatten und für dessen Präsentation wir keine passende Plattform finden konnten. J: Bei der Suche nach einer Plattform haben wir festgestellt, dass die Filmfestivals in Innsbruck beim Aussterben sind. Viele gibt es mittlerweile nicht mehr z.B. das Filmfestival Rejected, das Politfilm-Festival, das Los Gurkos Kurzfilm Festival etc. M: Dann haben wir Oscar Germes-Castro, Obmann von Los Gurkos Productions, gefragt, ob er eine Idee hätte. Und da es das eigene Kurzfilmfestival nicht mehr gab, hat sich für uns die Möglichkeit ergeben, ausgehend vom Verein Los Gurkos Productions, ein Festival mit einer etwas neuen Ausrichtung auf die Beine zu stellen.
M: Dieses Jahr war es uns ein zusätzliches Anliegen, das Ganze etwas interdisziplinärer aufzubauen: Wir haben nun eine Cross-Media-Lecture-Performance im BRUX, Konzerte in der p.m.k, eine Lesung im Theater praesent sowie Filme im Leokino im Programm – somit versuchen wir, Grenzen aufzubrechen und das Publikum zu vermischen. J: Unser Ziel ist es auch, die Vernetzung dieser Orte in Innsbruck voranzutreiben, sodass Leute neue Locations kennenlernen und umgekehrt, die einzelnen Orte ein neues Publikum finden.
k: Wofür steht denn eigentliche der Name „DIAMETRALE“?
J: Nachdem wir uns etwas umgesehen hatten, was es im Umkreis für Filmfestivals gibt, war uns klar, dass unser Festival ganz anders sein würde, als die anderen. Und da hat sich der Begriff „diametral“ im Sinne von „entgegengesezt“ sehr angeboten. Letztes Jahr haben wir passend dazu als Festival-Aufhänger Thomas Bernhard aus seinem Roman Der Keller zitiert, wo er schreibt: „Ich wollte nicht in eine andere Richtung, sondern in die entgegengesetzte Richtung“.
Über das Komische im Experimentellen
k: Seit diesem Jahr trägt das Festival den Untertitel (Film)-Festival für Experimentelles und Komisches – was kann man sich genau darunter vorstellen? Wie kam es zu dieser Kombination?
M: Letztes Jahr hat der Zusatz noch Experimentalfilmfestival gelautet, aber der Fokus lag immer schon auf absurde Filme, die auch etwas Humoristisches an sich haben. J: Heuer haben wir es dann noch im Titel konkretisiert – u.a. wegen der TKIopen Ausschreibung zum Thema humor, wo wir die DIAMETRALE als Förderprojekt eingereicht haben.
k: Welche Bedeutung nimmt für euch das Komische im experimentellen Festival ein?
M: Zum einen wollten wir diese Doppeldeutigkeit des Begriffs hervorheben. Aber wir haben generell schon seit Jahren ein großes Interesse für Humor und Satire. J: Ich habe mich auch schon im Rahmen meiner Diplomarbeit mit dem Thema Humor in Literatur beschäftigt.
k: Das ist spannend, denn ich dachte in diesem Zusammenhang auch an die Lachliteratur und die Theorie des Karnevalesken bei M. Michail Bachtin – an diese politische Dimension, die in eurem Konzept des Humoristischen vielleicht noch mitschwingt…?
J: Genau, bei unserem Festival geht es vor allem auch darum, dass man nicht immer alles zu ernst nimmt. Das zeigen u. a. auch die Filme von Wenzel Storch, die politisch enorm unkorrekt sind. Hier kommt auch wieder diese Form von Widerständigkeit, die der Humor vermittelt, zum Vorschein. M: Und da kann man auch allgemein die Verknüpfung zur DIAMETRALE herstellen, indem Humor als etwas Widerständiges betrachtet werden kann, das sich allem entgegensetzt.
Über den Ehrengast Wenzel Storch

Wenzel Storch – „Die Reise ins Glück“ (2004)
k: Der deutsche Filmemacher Wenzel Storch (*1961) ist dieses Jahr Ehrengast auf dem Festival. Wie seid ihr auf ihn gekommen?
M: Ich bin schon seit ca. 15 Jahren Abonnent des Titanic-Satiremagazins, in welchem Wenzel Storch immer sehr groß gefeiert worden ist, so bin ich auf ihn gestoßen. Er schreibt auch selbst manchmal für die gesellschaftskritische Zeitschrift konkret und ist als Schriftsteller tätig. Er hat drei Filme gedreht, die sehr schwer erhältlich sind. Als vor ein paar Jahren endlich eine DVD-Box herausgekommen ist, habe ich seine Filme mehrmals mit Begeisterung angesehen. Und so kam eben diese Idee, ihn als Ehrengast einzuladen. Seine Filme sind für uns sehr passend, weil sie quasi den Inbegriff der DIAMETRALE verkörpern.
k: War es schwierig, Wenzel Storch als Gast nach Innsbruck zu bekommen?
M: Nein, gar nicht. Das war total unkompliziert. Aber wir sehen ihn beim Festival auch zum ersten Mal.
k: Ich nehme an, dass das auch euer persönliches Highlight sein wird?
M: Absolut, ja! J: Genau das ist ja auch immer das Spannende: Als Veranstalter kommen wir auf einmal mit Leuten persönlich in Kontakt, die wir sonst nur im Fernsehen oder auf Bühnen sehen – das ist manchmal schon ein bisschen schräg, aber bisher waren alle immer total freundlich und unkompliziert.
Über den Auswahlprozess – ein schwieriges Unterfangen
k: Ihr habt dieses Jahr über 400 Filmeinreichungen erhalten – wie/wo bewerbt ihr eure Ausschreibung?
J: Da gibt es die Internetplattform filmfreeway.com, wo sich Regisseur*innen und Festivals anmelden können. Auf diese Weise ist es mittlerweile wirklich einfach für Festivals, sich weltweit Filme zu beschaffen.
k: Aus welchen Ländern habt ihr die meisten Einreichungen erhalten?
M: Definitiv aus den USA. Aber viele auch aus Kanada, Frankreich, Großbritannien, Deutschland – also schon eher aus den westlichen Ländern. J: Aus dem Iran bekamen wir auch viele. Da merkt man schon, dass dieses Land eine große Filmkultur hat. Aber wir haben wirklich aus allen Kontinenten Einreichungen erhalten, einige auch aus Japan und China…
k: Schaut ihr beim Auswahlprozess bewusst darauf, Filme aus unterschiedlichen Ländern auszuwählen?
J: Nein, eigentlich haben wir wirklich nur die Qualität der Filme als Maßstab genommen. Es hat sich dann glücklicherweise so ergeben, dass wir ein ziemlich breites Spektrum abdecken konnten.
k: Was waren grundsätzlich die Kriterien bei der Filmauswahl?
J: Ein wichtiger Indikator war dieser, dass uns Filme nicht langweilen durften. Wenn man viele Experimentalfilme gesehen hat, merkt man, dass auch diese meist eine ähnliche Struktur aufweisen, bei der man oft schon ahnt, wie es weitergehen wird. Wenn wir also schon vorhersehen konnten, was passiert, dann war es für uns kein gutes Zeichen. Das Hauptkriterium war schon, dass uns die Filme neugierig machen mussten.
M: Etwas, auf das wir auch sehr geachtet haben und das bei anderen Experimentalfilmfestivals nicht so sehr im Fokus steht, ist die narrative Ebene der experimentellen Filme – im Sinne von: „Wie wird im Experimentalfilm auch eine Geschichte transportiert?“, denn meist steht in diesem Genre sehr stark die formale Ebene im Mittelpunkt.
k: Ward ihr euch bei der Auswahl immer einig oder gab es auch ab und zu mal „Diskussionen“?
M: Ca. zu 90% waren wir uns schon einig, ja.
k: Könnt ihr ungefähr einschätzen, wie viele Stunden ihr in das Anschauen der Filme investiert habt?
(Marco überlegt) J: Nein, das haben wir nicht dokumentiert. lacht M: …Ist wahrscheinlich auch besser so.
Über das humoristische Musikprogramm
k: Welchen würdet ihr als lustigsten musikalischen Live-Act am Festival bezeichnen?
M: Da wäre zum Beispiel GTUK zu nennen – nostalgische Nintendo Rave-Core Schreierei – den haben wir selber schon ein paar Mal live gesehen und daraufhin eingeladen. Und ganz interessant sind sicher auch DJ PATEX & ACID KNARF RELLÖM, weil die auch nochmal diesen politischen Diskurs mithinein bringen bzw. einen ironischen Blick auf den ganzen Popdiskurs richten.
k: Inwiefern äußert sich dies in ihrer Musik?
M: In erster Linie in den Texten. J: Aber schon auch im Sound, denn dieser klingt so brav und nett, worin aber eben auch dieses ironische Moment liegt.
Die Schlussrunde
k: Wollt ihr unseren Leser*innen noch eine bestimmte Botschaft übermitteln?
J: Ich würde den Leuten Folgendes ans Herz legen: Seht euch genau das an, worunter ihr euch vielleicht noch nicht viel vorstellen können – etwas, das ihr noch nicht kennt. Denn die spannendsten Sachen sind immer jene, bei denen man nicht genau weiß, was passiert. Deswegen ist es auch wichtig, dass man sich einfach traut, hinzugehen und sich auf Neues einzulassen!
M: „Dekonstruktion“ ist schon auch ein Begriff, der bei diesem Festival mitschwingt – die Zerstörung von gewohnten Wahrnehmungsmustern und Vorstellungen, denn diese zerbrechen auf jeden Fall. Aus der Erziehungs- und Bildungswissenschaft kommend, kann ich schon behaupten, dass das Festival auch einen Bildungswert erfüllt. lacht