komplex spricht mit Yasmo über „Prekariat und Karat“

Vor ein paar Stunden ist das neue Album von Yasmo & die Klangkantine erschienen. Geziert von goldener Schrift steht es unter dem Titel „Prekariat und Karat“. Dieses mit Spannung geladene Verhältnis hat uns neugierig gemacht. So haben wir der österreichischen Rapperin und Slam-Poetin Yasmin Hafedh alias Yasmo ein paar Fragen gestellt, die sie uns im folgenden Interview beantwortet: 

(c) KidizinsaneWEB

komplex: Deine Texte sind oft politisch und kritisch. Ist das ein Anspruch, den Du an Deine Kunst stellst oder kann sich Kunst auch selbst genügen?

Yasmo: Kunst kann sich auf jeden Fall auch selbst genügen, muss sie aber glaub ich nicht. Ich hab ganz oft das Gefühl, dass ein paar gscheidte Leute, oder solche die sich für gscheidt halten, alle paar Jahrzehnte neu definieren was Kunst zu sein hat. Und obwohl Veränderung und Fortschritt gut und wichtig sind, find ich Stempel aufdrücken immer ein bisschen schwierig. Für mich entsteht Kunst bspw. erst durch Rezeption.

k: Was kann Kunst gesellschaftlich bewirken?

Y: Kunst kann, glaube ich, Zusammenhalt schaffen. Ich verstehe Kunst – egal in welcher Form – immer ein bisschen als Medium, das unter die Leute gebracht wird und die Leute entscheiden dann für sich, was es ist –  was sie damit anfangen wollen, ob sie etwas damit anfangen können, und wo und wie sie sich darüber austauschen wollen. Dieses veraltete Bild vom Künstler, der aus sich selbst schöpft, weil er so genial ist und dann den Kanon diktiert – das geht sich für mich nicht mehr ganz aus. Auch wenn ich weiß, dass es noch genügend Leute gibt, die an diesem gestrigen Bild festhalten wollen.

k: Die neue Single Popsong ist ein Apell ans Kämpfen für die Solidarität. Wie gestaltet sich dieser Kampf für Dich persönlich? Genügt es, „laut“ zu sein?

Y: Für mich genügt es schon, in Zimmerlautstärke einen Dialog zu führen. Solidarität hat immer damit zu tun, die eigenen Privilegien zu kennen, zu erkennen, und das Fehlen dieser bei anderen zu sehen. Und wie soll ich was anderes sehen, wenn ich nur in meiner Blase bleibe und alles andere von vorneherein ausschließe? Mir ist das Gespräch wichtig, mit allen Leuten. Und es ist völlig in Ordnung nicht einer Meinung zu sein, und es ist vielleicht auch anstrengender, solche Gespräche zu führen, aber die Bubble ist eh da. Wenn es mir mal reicht, kann ich mich wieder zurück ziehen, aber trotzdem werde ich nicht aufhören das Gespräch zu suchen. Wir Menschen sind in vielen Belangen ähnlicher, als uns manchmal lieb ist. Also schauen wir mal darauf wo wir uns einig werden, und lasst uns über den Rest sprechen. Nicht bequem sein.

k: Unter dem Titel Prekariat und Karat steht euer neues Album. Wo verortest Du Dein eigenes Künstlerinnendasein? Wie „prekär“ ist die Situation österreichischer Musiker*innen und Künstler*innen?

Y: Haha, definitiv im Prekariat. Da bin ich hineingeboren und da bleib ich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Aber die Karat werden inflationärer und das Prekariat wird größer. Wenn nur mehr einem kleinen, minimalen Teil der Gesellschaft Zugang zu Reichtum gemacht wird, wird Reichtum irgendwann obsolet und das Prekariat bleibt breit aufgestellt und macht halt mit Plastikkarat weiter, haha. Das soll jetzt alles gar nicht so klassentheoretisch sein, wie es klingt, aber das Prekariat wird mehr und die Karat werden eben mit Glitzer und Plastikgold kompensiert.

Und ich glaube, so geht es vielen österreichischen Künstler*innen. Zumindest denen, die nicht aus einem reichen Haus kommen. Ja, es gibt Kulturförderungen, aber da muss es mehr geben, da sollte man nicht kürzen. Und ich finde es sollte eine Gewerkschaft für die Künstler*innen geben, denn Dumping wird bei uns aus verschiedenen Gründen immer noch groß geschrieben, und man muss es sich erst mal leisten können, nicht zu dumpen.

k: Würdest Du sagen, es ist ein positives Album?

Y: Ja! In ganz vielen Hinsichten finde ich unser Album positiv, aber nicht polemisch oder naiv positiv, sondern, es hat eine ganz klare Haltung, die sagt: Wir lassen uns unseren Optimismus ganz sicher nicht nehmen!

k: Verrätst Du uns Deinen persönlichen Lieblingssong auf Prekariat und Karat?

Y: Haha, seit meinem ersten Album keep it realistisch (2011) hab ich bei jedem weiteren Album immer dasselbe Problem gehabt: der Lieblingssong verändert sich von Tag zu Tag. Das geht mir übrigens mit anderen Alben von anderen Künstler*innen genauso.

k: Denkst Du, dass die Texte deiner Songs vor 50 Jahren ähnliche gewesen wären?

Y: Die Haltung vielleicht, aber die Texte ganz bestimmt nicht. Vor 50 Jahren hätte ich als Frau nicht die Möglichkeit gehabt, mich so zu entfalten, wie es mir als 90er Kind möglich ist. Und vor 50 Jahren hätte ich Hiphop mitbegründet, was eh cool gewesen wäre, aber ganz sicher anders.

k: Du bist nicht nur Sängerin, sondern auch Slam-Poetin und hast sogar als erste Frau die österreichische Poetry-Slam-Meisterschaft gewonnen. Was würdest Du sagen liegt dir mehr bzw. macht dir mehr Spaß – Rappen oder Slammen?

Y: Beides. Wird glaub ich auch immer so bleiben. Bei mir gilt: Ich liebe Sprache.

k: Als Poetry-Slammerin und Rapperin bist du auch schon häufig in Innsbruck auf der Bühne gestanden – wie unterschiedlich hast Du die Szenen in Innsbruck und Wien erlebt? Was könnte sich Innsbruck noch von Wien abschauen (oder umgekehrt)?

Y: Der Bäckerei Poetry Slam hat zurecht schon ganz oft den „Slömmy“ (österr. Slamawards, die wir intern jährlich bei den österreichischen Meisterschaften szeneintern vergeben) für den besten Slam des Landes gewonnen. In Innsbruck merkt man, dass österreichischer Slam hier geboren wurde und es ist immer eine Freude! In Wien gibt es halt ein riesiges Angebot, das manchmal dazu führen kann, dass man sich nicht entscheiden kann und am Ende Netflix gewinnt. Wobei, ich kann mir auch vorstellen, dass das in Innsbruck so ist!

Liebe Yasmin, danke für das tolle Interview!

SC & BE

 

13.3.2019 – Yasmo & die Klangkantine im Treibhaus Innsbruck

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