Diskussionsreihe „gegen:WART“: Mit dem Seil vor der Kluft

Die Gräben in der Gesellschaft sind verhärtet, eine Gesprächsreihe mit dem Titel „gegen:WART //// es geht bergab“ versucht nun ihr Glück, grätscht dazwischen, der Intention folgend, die Wogen zu glätten und aufzuweichen. Information und Diskurs statt Polarisierung und Emotionalisierung, so das Motto. Geladene Gäste werden als Kenner:innen zu Themen referieren, die so unterschiedlich anmuten, wiewohl sich dann ein allesumfassendes Netz durch die gesamte Reihe spinnen soll. Begonnen wird in der Stadtbibliothek Innsbruck am 17. November um 19:30 mit dem Thema „Kritik – in einer Gesellschaft am Abgrund“. Und wenn sich alle Beteiligten nach den brandheißen friedlich die Hände reichen, ist man dem Ziel ein Stück nähergekommen.

Grafik: eekhoorn.at/Contrapunkt

Es ist paradigmatisch für unsere Zeit: Hasskommentare füllen das Netz, Menschen leiten zu emotionsbasierten Begründungen, sowie sie dann derart festgefahren in ihren Ansichten sind, dass sie sich selbst Schauklappen auflegen und nur mehr das aufschnappen können und wollen, was zur Bestätigung ihrer eigenen Haltung dient. So werden oftmals auf der Hand liegende Fakten ignoriert, seien sie noch so augenfällig. Die Gegenwart zeigt es nur allzu eindrücklich: Wenn emotionsgesteuerte Nachrichten und Unwahrheiten mit derselben Intensität einprasseln wie wissenschaftlich fundierte Aussagen, kann das gesellschaftlich durchaus zum Problem werden. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, besagt ein Sprichwort. Und dabei ist es ganz egal auf welcher Seite man steht. Social-Distancing in der Pandemiezeit sowie der Digitalisierungsschub der letzten Jahre haben diese Entwicklung nicht nur beschleunigt, sondern in ungeahnte und vor allem bedenkliche Dimensionen manövriert. Das kulturkollektiv Contrapunkt möchte diesen Wald ein wenig lichten und begehbarer sowie zugänglicher machen. Weil man der durchaus beängstigenden Entwicklung entgegentreten möchte, rief Contrapunkt eine sechsteilige Diskursreihe zur gegen:WART ins Leben, um zu zeigen, dass es auch anders geht. Nicht zuletzt in einem Miteinander wie in einem Gespräch auf Augenhöhe ohne Ausgrenzung. Und konzipiert als ein Zuhören und Austauschen im analogen Raum, ganz harmonisch und ohne Versteckmöglichkeiten und Ausweichplätze:

„Aufgrund der großen Bruchlinien im Freundschafts- und Verwandtschaftskreis haben wir uns dazu entschlossen, brennende Themen auf einer Metaebene, beziehungsweise aus einer distanzierten Position heraus, tiefer zu behandeln. Aus der derzeit gesellschaftlich durchwegs komischen Stimmung heraus, kam uns die Idee, eine eigene Gesprächsreihe auf die Beine zu stellen. Von Kritik über Extremismus und kultureller Aneignung bis hin zu Pop und Utopie sind es im Kern immer Themenkreise, die den Bogen zur gegenwärtigen Zeit schlagen lassen“,

so Maurice Kumar und Nadja Studenik als Initiator:innen des gesellschaftskritischen Kollektives. Alltagstauglichkeit ist den Organisator:innen dabei neben dem fundierten Wissensaustausch ein großes Anliegen. Das alles soll in locker-lässiger, ungezwungener und vor allem sachlicher Atmosphäre passieren. Die stickige Luft vor den Laptops wird jedenfalls draußen gelassen, denn nicht selten ist sie es, die nicht mehr klar denken lässt und zu emotional aufbrausenden Handlungen anstiftet. Den sechs Abenden ist dabei immer eines der übergeordneten Themen gewidmet, das in seiner großen Breite vorurteilsfrei behandelt wird.

„In der Eröffnungsveranstaltung wollen wir uns beispielsweise darüber unterhalten, was unter kritischem Denken überhaupt verstanden werden kann und dass nicht alle Menschen, die ihre Meinung kundgeben, gleich kritisch sein müssen. Das Recht, eine kritische Position einzunehmen, nennt jede:r sein eigen, doch ist das wirklich so? Der Begriff ‘Kritik‘ wurde in den letzten Jahren instrumentalisiert, vielleicht gelingt es, ihn wieder auf seinen Platz zu rücken“,

betont das Organisator:innenteam im Gespräch. Eingeladen wurden dabei mit Lea Susemichel (leitende Redakteurin des feministischen Magazins „an.schläge“) und Marcus Steinweg (Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe) zwei Expert:innen als Diskutant:innen, die sich auch beruflich in philosophischer Manier mit Kritik auseinandersetzen. Durch den Abend wird Kulturarbeiter René Nuderscher als Moderator führen. Herauskommen soll dabei jedoch kein Kreis an lebensfernen Fachsimplern, sondern ein Treffen von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem auf neutraler Ebene miteinander in einen respektvollen Austausch kommen: „So umfangreich die Themen auch sind, wir wollen sie so runterbrechen, dass die Verbindungslinien innerhalb der einzelnen Veranstaltungen ersichtlich werden“, erklären Maurice Kumar und Nadja Studenik. Die stets mit einem Ausklang und musikalischer Umrahmung versehenen Diskussionsabende sollen die Gespräche auch im Nachhinein noch weiterlaufen und abrunden lassen, so findet am ersten Veranstaltungsabend eine Afterparty mit DJ Lou Cat in der p.m.k statt.

Ganz im Sinne des Programmes sind es auch die Veranstaltungsorte, dem Ziel folgend, so viele Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen wie nur möglich erreichen zu können. Begonnen wird in der Stadtbibliothek Innsbruck, die Folgeterminen werden jeweils an unterschiedlichen (Spiel)Räumen wie etwa im Cinematograph, dem Reich für die Insel oder der Bäckerei abgehalten: „Es kann durchaus spannend sein, für Podiumsdiskussionen unübliche Orte in ihrer ursprünglichen Funktion aufzubrechen“, sind sich Kumar und Studenik sicher. Und wer weiß: Vielleicht kann dieser ortstechnische Perspektivenwechsel auch gedanklich einen Blick über den Tellerrand einleiten. Eine Gesellschaft am Abgrund kann auch wieder hochgezogen werden, nur es benötigt eine kollektive Mammutleistung. Die Diskussionsreihe „gegen:WART“ kann die Initialzündung geben, um das was schiefhängt, wieder geradezurichten. 

| Florian Gucher

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