Die Kunst des Nicht-Könnens

Am Anfang der diesjährigen Innsbrucker Poetik-Vorlesung stand die Frage: Wie lesen wir die Texte von Oswald Egger? Der Tipp von Dozentin Eleonore De Felip lautete: „Verzichten Sie auf den Willen zum Verständnis!“

Oswald Egger_(c)Christina Vettorazzi

Oswald Egger (c) Christina Vettorazzi

Tag 1 | 20.05.2019

Oswald Egger nimmt im Literaturhaus am Inn seinen Platz hinter dem Stehpult ein. Die Lesung beginnt, doch gleicht sie eher einer Performance. Die Stimme des Autors erfüllt den Saal. Nur die Gedanken der Zuhörer*innen können sich frei bewegen. Sie bahnen sich ihren Weg durch ländliche Regionen und führen ins städtische Umfeld, die ferne Heimat oder die vergangene Nacht. Wo die Gedanken landen, kann niemand erahnen. Sicher ist nur, dass sie nirgends lange verweilen.

Tag 2 | 21.05.2019

Oswald Egger zeichnet einen Kreis auf ein Blatt Papier. Dann blickt er auf, zeigt seinem Publikum das Bild und sagt: „Ich zeichne einen Kreis! Warum stimmt diese Aussage nicht?“ Die Antwort lautet: Der Kreis war bereits gezeichnet worden. Doch auch wenn Oswald Egger diese Aussage während des Zeichnens formuliert hätte, wäre sie nicht korrekt gewesen. Schließlich hätte es sich zu jenem Zeitpunkt noch nicht um einen Kreis gehandelt. Diese Grenzen der Sprache sowie des eigenen Selbst kenne Oswald Egger auch aus seiner Arbeit. In seinem Buch „Val di Non“ beschreibt er ein Tal, das gar nicht existiert. „Die Texte in dem Buch sind die Zeichnungen“, erklärt der Autor und Illustrator des Werks. Doch sei gerade das Zeichnen nicht sein Beruf. Im Gegenteil, er beschreibt es als etwas, was er nicht könne. Doch genau das sei wesentlich. So zitierte er den Dramatiker Johann Nestroy: „Kunst ist, wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst.“

Tag 3 | 22.05.2019

Die Poetik-Vorlesung findet nun in einem kleineren privateren Rahmen statt. Oswald Egger berichtet von Eindrücken aus seiner Jugend, Erfahrungen mit dem Literaturbetrieb und Überlegungen, die seinen Schaffensprozess begleiten. Die Studierenden können die Welt durch seine Augen betrachten und dadurch nicht nur in den Werken des Autors Überraschungen entdecken. In „Triumph der Farben“ ziert der Narr das Cover und dient als Eröffnungstrumpf. In der Poetik-Vorlesung zeigte er sich erst am Ende. Doch wurde dadurch das einleitende Versprechen von Eleonore De Felip erneut aufgegriffen: „Je tiefer man in seine Farbwelt eintaucht, desto transparenter wird die Verwirrung.“

CV

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